REITZENSTEIN, ALBIN
REKTIFIZIEREN,
REKTIFIZIERTER RITUS, RÉGIME ECOSSAIS ET RECTIFIÉ.
RELATIVISMUS
RELIGION
RELIGIONSPHILOSOPHIE,
RELIGIÖSE FORDERANG, DIE, DER FREIMAUREREI
RELIGIOSITÄT,
RENNENKAMPF, KARL JAKOB ALEXANDER VON,
RENUNZIATIONSAKTE,
REPARATIONSFRAGE.
REPERTOIRE MAÇONNIQUE,
REPRESENTATIVE
RESPECTABLE LOGE
RETCLIFFE,
RETTUGSBOTE.
REUCHLIN, JOHANN,
RÉUNION,
REUß, THEODOR,
REUß, FÜRSTEN,
REUTERDAHL, HENRIK,
RÉVEIL FRANÇAIS, LE.
REVERCHON, ISAAC,

Reitzenstein, Albin
Freiherr von, Artillerieoffizier, preußischer Oberstleutnant a D chinesischer Generalleutnant a. D., * 1852, t 1927 , aufgenommen in der Kölner Loge "Minerva-Rhenana", Gründer und Stuhlmeister der Loge "Ring der Ewigkeit" in Berlin, Großarchivar der Großen National-Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln", Leiter des "Bundes Blatt", verfaßte eine Reihe freimaurerischer Bucher: "Die Freimaurer in Frankreich", "Die Strikte Observanz", "Fichte", "Lessing", "Herder", "Wieland".
Rektifizieren,
s. Regularisierung.
Rektifizierter Ritus, Régime Ecossais et rectifié.
Von allen Änderungen, die das System der Strikten Observanz erfuhr, kommt der Rektifizierung auf dem Nationalkonvent der französischen Templer in Templar in Lyon (Convent des Gaules) im November-Dezember 1778 die größte Bedeutung zu. Sie stellte eine gründliche Abkehr von dem von Freiherrn von Hund (s. d.) aufgestellten System dar und setzte an dessen Stelle den Orden der "Chevaliers bienfaisants de la Cité Sainte", der die nicht aufrecht zu erhaltende Herleitung von den alten Tempelherren fallen ließ, als seine Aufgaben Wohlfahrtspflege, Vervollkommnung der Menschen durch das Christentum in seiner ursprünglichen Reinheit bezeichnete und wieder zu sechs Graden zurückkehrte.
Diese waren: Lehrling, Geselle, Meister, Schotte des heiligen Andreas (ebenfalls als symbolische Stufe bezeichnet) und zwei Grade des inneren Ordens (Ecuyer Novice und Chevalier bienfaisant de la Cité Sainte). Da der französischen Regierung die Bezeichnung "Tempelritter" aus historischen Gründen nicht angenehm war, wurde sie fallen gelassen. Die starke Betonung des karitativen Wollens verdient besondere Wardigung angesichts des schrecklichen Elends, das damals auf Frankreich lastete und durch keinerlei offizielle Wohlfahrtspflege gemildert wurde.

Der Ordensplan von Lyon fand mit geringen Änderungen auch Annahme auf dem Wilhelmsbader Konvent 1782 (s. d.).
Der Todesstoß, den die Strikte Observanz hier erhielt, hemmte aber auch von vornherein die Entwicklung des rektifizierten Systems. Dieses beschrankte sich in der Hauptsache auf Frankreich, Norditalien und die Schweiz, wo sich 1779 unter Diethelm Lavater (s. d.) das rektifizierte Grand Prieuré Indépendant d'Helvétie (Directoire Ecossais rectifié) bildete. General-Großmeister des rektifizierten Systems war bis zu seinem Tode (1797) Herzog Ferdinand von Braunschweig, auf welchen Prinz und Landgraf Karl von Hessen (der es mit einigen Abanderungen in Dänemark einführte, wo es 185S durch die schwedische Lehrart ersetzt wurde) und der Landgraf Christian von Hessen folgten. Nach der französischen Revolution nahm das System in Frankreich als "Directoire de Neustrie" einen gewissen Aufschwung.
1808 wurde Cambacéres (s. d.) National-Großmeister. Nach dem Sturz des Kaiserreiches kam es in verschiedenen Landern zu neuer Blate. Auf die Dauer hielt sich aber in der ursprünglichen Form nur das Schweizerische Großpriorat in Zürich. Bis zur Gründung der Großloge "Alpina" unterstanden diesem auch eine ganze Reihe symbolischer Logen, die aber von 1844 an in die neue Großkörperschaft abergingen und neue Rituale annahmen.
Nur die 1768 gegründete Genfer Loge Union des Coeurs" behielt auch unter der neuen Obedienz (bis auf den heutigen Tag) das rektifizierte System bei. Sie bearbeitet nach wie vor in einer symbolischen Andreasloge den schottischen Andreasmeister". Der Verlust der blauen Logen schwächte naturgemäß das Priorat. Von den beiden Prafekturen Genf und Zürich schlief die letztere ein, so daß 1885 Genf das einzig noch bestehende überbleibsel war und Sitz des Großpriorats wurde. 1896 wurde ein (1910 erneuerter 1930 gekandigter) Freundschaftsvertrag mit dem Obersten Rat des A. u. A. Schottischen Ritus für die Schweiz (Lausanne) abgeschlossen.

Französische Maurer, die in der Schweiz in den Ritus aufgenommen wurden, erweckten 1910 die alte Pariser Loge "Le Centre des Amis" (bis 1797 "Guillaume Tell"), die nach anfänglichem Zögern vom Grand Orient de France angenommen wurde, sich aber ein Jahr später selbstandig erklärte und eine der beiden Mutterlogen der 1913 gegründeten "Grande Loge Nationale Régulaire Indépendante de France" (s.Frankreich) wurde, in der nun das Rektifizierte System in einigen Bauhütten gepflegt wird.
1911 trat das Großprioritat mit dem Grand Orient in freundschaftliehe Beziehungen, im gleichen Jahre wurden offizielle Beziehungen zu den britischen Tempelrittern angeknüpft. 1913 wurde das System auch in Belgien eingefahrt, wo Dr. Gustave Smets - Mondez die Leitung übernahm. Das Genfer Großpriorat unterhalt auch freundschaftliche Beziehungen zu den nordischen Großlozen. Bis 1916 bestandan solche auch zur Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Die Chevaliers Führen lateinische Ritternamen, das Wappen zeigt Phönix und Kreuz und die Ordensdevise "Perit ut vivat".
Großprior ist Dr. Ernst Rochat , Universitätsprofessor in Genf.

Die Grade des R. R. sind, da sie teilweise den Inhalt mehrerer der ursprünglichen Stufen in sich aufgenommen haben, sehr umfangreich. Der IV. Grad (Ecossais de Saint-André) entspricht ungefähr dem XVIII. Grad des A. u. A. Schottischen Ritus, von dem in zwei Klassen geteilten Inneren Orden der Ecuyer-Novice dem XXX. Grad und die Stufe der Chevaliers Bienfaisants de la Cité Sainte der Spitze des Lehrgebaudes des Schottischen Ritus.
Relativismus
ist die erkenntnistheoretische Lehre, derzufolge alle Erkenntnis nur relativ, nur in bestimmter Beziehung, nur für einen bestimmten Standpunkt gültig ist, nicht aber im absoluten Sinne, daß alles Erkennen im Subjekt verankert liegt. In ethischer Hinsicht bezweifelt der R. nur die absolute Gültigkeit der konkreten sittlichen Normen, nicht aber die Prinzipien des Sittlichen an sich. Im Altertum brachte den Standpunkt des R. am besten der "Homo Mensura"-Sätz des Protagoras zum Ausdruck:
"Der Mensch ist der Maßstab aller Dinge." Kant vertrat den R. in transzendentaler Hinsicht, setzte sich aber zugleich für die Absolutheit der "Fundamental-Erkenntnisse" ein. R. darf mit Skeptizismus (s. d.) nicht verwechselt werden. In der Gegenwart bringen den Standpunkt des R. die Als-ob-Philosophie (s. d.) Vaihingers, der Pragmatismus (s. d.) von James und der Neu-Humanismus von F. C. S. Schiller-Oxford am prägnantesten zum Ausdruck. Aus dem R. läßt sich der Standpunkt der Freimaurerei zu den Problemen der Welt und der Menschheit ableiten. In ihrer Symbolik und in ihren Ritualen tritt die relativistische Einstellung klar zutage.
Die Freimaurerei ist von der Bedingtheit aller Wahrheiten durchdrungen Der R. unterbaut die Toleranz mit Vernunftargumenten. Die Freimaurerei ist eine der Bewegungen, die vom Ausgang des Mittelalters an als Reaktion gegen die Unbedingtheit der Kirchenlehre und des politischen Absolutismus, als Reaktion gegen den Fanatismus jeder Art entstanden sind und auf Gründ der Dogmenmüdigkeit den Typus des afanatischen Menschen hervorbrachten. Auf religiösem Gebiet führten diese Strömungen zum Protestantismus, auf politischem Gebiet zur Demokratie. Auch die Freimaurerei entsprang dieser Einstellung.
Sie dürfte das einzige Gebilde sein, dem es auf die Dauer gelungen ist, Ideologie und Praxis weitgehend von Dogmen freizuhalten. Die Freimaurerei kann daher als eine Bewegung aufgefaßt werden, die relatvistisch eingestellte Menschen zur Förderung des Humanitätsideals zusammenzufassen '' trachtet. Schenkel ("Die Freimaurerei im Lichte der Religions- und Kirchengeschichte") sagt, daß die Toleranz "ohne das Bewußtsein der Relativität aller geschichtlichen Formen und Ausprägungen" nicht denkbar ware.
Religion
ist im objektiven Sinne die Gesamtheit der Gebilde, Institutionen, Glaubenssätze, die zur Befriedigung der subjektiven R., der Religiosität dienen. R.. ist eine Art des Glaubens (s. d.), die auf etwas Höheres, überindividuelles, Unendliches gerichtet ist, wobei dieses "Göttliche" nicht unbedingt metaphysischer Art sein muß, sondern auch eine abstrakte Idee, wie z. B. die Menschheit, das soziale Ideal usw., sein kann. Es ist "ein Vorrecht der Geistesnatur des Menschen, daß er sich an ein Denken und Wollen hingeben kann, das unendlich größer ist als sein eigenes" (James).
Der Ursprung der R. ist persönlich im zweifachen Sinne. Einmal ist R. stets das Werk eines Menschen, eines Religionsstifters, das in der Folge von einer zur Propagierung geschaffenen Institution, der Kirche, ausgebaut und in die Praxis übertragen wird, dann ist die eigentliche Gründlage der Wirkung der R. das religiöse Bedürfnis der Individuen. Die Motive der Religiosität sind mannigfach. Willensfreudigkeit, Zustimmung, Bewunderung, Sehnsucht nach Zuflucht in der Verworrenheit und Unbestimmtheit der Welt; "Sehnsucht zu dienen, das Ich zu unterordnen sich freizumachen aus der räumlichen und zeitlichen Begrenztheit des individuellen Daseins" (H. G. Wells); "Glaube an die Realprasenz höherer Machte" (James); Hang zur Mystik, zum Traumhaften; dem Gewissen entsprießendes Verlangen nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit; der vom Intellekt veranlaßte Wunsch nach Erklärung der letzten Ursachen, der Idee des Unendlichen; Streben nach Vereinheitlichung, Harmonisierung der Erfahrung durch Ausfüllung der Kluft, die zwischen den disparaten Teilen derselben besteht.
Der "Wille zum Glauben" (James) führt zur R. Die R. ist folglich wohl ein psychologisch-subjektives Phänomen doch ist sie, wie das "Erkennen, objektiv bedingt und kann auf eine eigene Art auf objektive Geltung ihrer Glaubenssätze Anspruch erheben, wenn sie mit den Forderungen des Denkens nicht in Konflikt gerät" (Rudolf Eisler). Der Zweck der R. im seelischen Haushalt der menschheit ist zweifelsohne der, dem sittlichen Ideal eine göttliche Weihe zu verleihen und ihm dadurch Geltung zu verschaffen. Der Mensch halt instinktiv nach Hemmungen Ausschau, die dem Triebhaften in ihm Schranken setzen sollen. Die R. ist solch eine Hemmung von göttlicher Autorität. Gemeinschaftsleben ohne Religion ist kaum denkbar.

In der Auffassung des moralischen Theismus (s. d.) ist "R. Moral in Beziehung auf Gott als Gesetzgeber" (Kant). "Der sittlich handelt, der handelt schon von selbst so, als ob ihm ein Gott die Handlungen vorgeschrieben habe" (Kant). R. zu haben, ist in diesem Sinne die Pflicht des Menschen gegen sich selbst, da die Idee der R. fruchtbar ist. Änlich wird R. in der neueren Philosophie aufgefabt:
"Jedes sittliche Handeln schließt die Fiktion (s.d.) Gott ein" (Vaihinger). Der moderne mensen nimmt im Gründ einen ähnlichen Standpunkt ein. Für ihn besteht die objektive Realität der R. darin, "daß sie in uns Kraft hat. "Die R. hat eine Realität der Gültigkeit, nicht der Existenz" (Kant). Er erfüllt den aus Pietät beibehaltenen Rahmen seiner R. mit einem individuellen Inhalt, will weder ein Sklave Gottes, noch von Dogmen sein. R. ist für ihn kein Selbstzweck, nur ein Mittel zum Guten, zur werktätigen Liebe. Seine überzeugung geht dahin, daß ein Akt des blinden Gehorsams niemals einen religiösen oder sittlichen Wert haben kann, daß die Moral in voller Freiheit aus dem Innern, aus dem Gewissen fließen muß.

Die Freimaurerei nimmt in der Frage der R. keine allgemeingültige Stellung ein; auch ist ihr Standpunkt nirgends eindeutig dargelegt, auch nicht in den "Alten Pflichten", in denen Anderson sagt:
"Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, dem Sittengesetz zu gehorchen, und, wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein dummer Gottesleugner, noch ein Wüstling ohne Religion sein. Aber obgleich in alten Zeiten die Maurer verpflichtet waren, in jedem Lande von der jedesmaligen R. des Landes oder der Nation zu sein, so halt man doch jetzt für ratsamer sie bloß zu der R. zu verpflichten, in welcher alle Menschen übereinstimmen und jedem seine besondere Meinung zu lassen, d. h., sie sollen gute und treue Männer sein, oder Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was für Sekten oder Glaubensmeinungen sie auch sonst sich unterschieden."

Diese Auffassung laßt mannigfache Auslegungen zu und kann keineswegs als Gründlage einer einheitlichen und eindeutigen Stellungnahme der ganzen Freimaurerei dienen. Die R. wurde anfangs in der Freimaurerei, wohl vor allem unter dem Einfluß Herberts Cherburys (s. d.) als eine Art rationalistischer, "naturlicher" Vernunftsreligion aufgefaßt; etwa im Sinne Kants: ,Eine im Menschen beständig geschehende göttliche Offenbarung." Die Lehren der Stoa (s. d.) machten sich geltend, die so gestaltend auf die Gefühls- und Gedankenwelt des 17. und 18. Jahr hunderts einwirkten. Man war auf der Suche nach einer "katholischen" (allgemeinen) R., im ursprünglichen Sinne des Ausdrucks.
Aus der ganzen Entwicklung der Freimaurerei geht als allgemeingültig hervor:
l. Die Freimaurerei selbst ist keine R.,
2. sie ist nicht religionsfeindlich,
3. sie ist nicht atheistisch eingestellt,
4. sie ist ein Boden für alle Glaubens bekenntnisse.

Der Freimaurerbund fordert von seinen Mitgliëdern kein dogmatisches Bekenntnis, und die Aufnahme der einzelnen Brr. wird nicht abhängig gemacht von einem religiösen Bekenntnis" (Deutscher Großmeistertag 1878).
Die zentrale Idee jeglicher Religion ist die Gottesvorstellung. Der freimaurerische Gottes begriff, symbolisiert als A. B. a. W., gewährt den verschiedensten Auslegungen Spielraum. Die angelsächsische und deutsche Freimaurerei faßt ihn zweifelsohne im theistischen Sinne auf, man könnte fast sagen im Sinne des persönlichen Gottesbegriffes.
Die deutschen Großmeister stellten 1870 fest: ,Indem die Freimaurerei von ihren Gliedern den Glauben an Gott als den obersten Baumeister der Welt verlangt..., ist eine Freimaurerloge, welche die Existenz Gottes bestreiten oder verleugnen sollte, nicht als eine gerechte und vollkommene Loge anzuschen." Die revidierte Verfassung der humanitären Großloge "Zur Sonne", Bayreuth (1928) führt an: "Eine gerechte und vollkommene freimaurerische Loge bejaht die Existenz Gottes." Eine mittlere Gruppe begnügt sich mit dem als A. B. a. W. (s. d.) symbolisierten Gottesbegriff, ohne diesem weitere, konkretere Deutungen beizulegen. Der Grand 0rient de France wiederum hat selbst das Symbol des A. B. a. W. aus seiner Konstitution entfernt da er auf vollständige Gewissensfreiheit und Ausscheidung jeglichen Begriffs der dogmatisch ausgelegt werden könnte, Gewicht legt.

Wie dem auch sei, kann man doch feststellen daß allenthalben im Vordergründ das sittliche Moment steht. Auch dort, wo die Freimaurerei streng gottesglaubig ist, führt die Sittlichkeit zur R. und nicht umgekehrt. Die Betonung liegt mehr im Bewußten und nicht im Gefühlsmäßigen wie in den Religionen. Die Freimaurerei will die sittlichen Aufgaben im Diesseits sub specie acternitatis erfülen. Nicht das Glaubensbekenntnis ist ihr maßgebend, sondern das sittliche Verhalten. "Der Freimaurer ist nicht religiös, er denkt und handelt religiös" (Fichte). Die Freimaurerei tritt für "eine unsichtliche Kirche die Vereinigung der sittlichen unter der göttlichen Weltregierung" (Kant) ein.

Eine Formulierung des Gottesbegriffes im Sinne der Als-ob-Philosophie könnte folglich eine für alle Standpunkte annehmbare Plattform bilden, die zugleich auch der Forderung der weitestgehenden Gewissensfreiheit gerecht würde: "Der Freimaurer ist gehalten, dem Sittengesetz zu gehorchen, als ob es von einem göttlichen Gesetzgeber gesetzt ware, und als ob er stets vor der Möglichkeit stünde, über sein Tun und Lassen vor einem göttlichen Richter Rede stehen zu müssen."

So wie den Gottesbegriff faßt die Freimaurerei das Prinzip des Guten und Sittlichen im Ausdruck des A. B. a. W. zusammen und überlaßt es ihren Anhängern, sich im Rahmen dieser Prinzipien eine der Individualität entsprechende konkrete Deutung zu geben. So sagt auch Heinichen ("Die Gründgedanken der Freimaurerei im Lichte der Philosophie"):
"Religiös sind wir wenn wir so handeln, als ob die Sittlichkeitsgebote Gottes Gebote waren". Da man die Gottesidee kaum begrifflich fassen kann, begnügt sich ein Teil der Freimaurerei mit ihrer symbolischen Andeutung. Gott ist in ihrer Auffassung nicht der Vater aller Menschen, sondern das schöpferische Prinzip der Welt. Die drei altpreußischen Großlogen allerdings stehen auf rein christlicher Gründlage, wobei sie die Auffassung vertreten, daß die ursprüngliche (reine) Lehre Jesu im Sinne des Humanitätsideals gedacht war. Von solchen Ausnahmen abgeschen, läßt die Freimaurerei in ihrer Mitte alle Glaubensbekenntnisse gelten und findet, über alles Trennende hinweg im Sittengesetz (s. d ) das geistige Band, das alle Menschen vereinigen kann. Klar bringt ihren Standpunkt Lessin g zum Ausdruck:
"Die nationalen und kirchlichen Einzelausprägungen sind das Gesetzgegebene, Natürliche, an sich Segensreiche; die Freimaurerei will ihnen nicht Abbruch tun, nur ihre Gefahren bannen. Alles, was Menschen verbindet, wird zugleich zur Ursache der Trennung. Die Freimaurerei sucht daher die R., in der alle Menschen übereinstimmen, und diese ist die Moral." Die Freimaurerei ist aber selbst keine R., auch keine R. der Arbeit, wie sie Horneffer und Bischoff auffassen wollen. Eine freimaurerische R. in welchem Sinne immer, wurde im Gründe den freimaurerischen Gründsätzen widersprechen.
Das im Jahrbuch 1928/29 der Vereine deutscher Freimaurer angeführte Gesellenritual von Seeberger, Bayreuth, sagt: "Wir suchen nicht nach dem Urgründ aller Dinge, aber wir sehen es gerne, daß ieder in seiner Art ein Gottsucher sei." So bezeichnete auch Goethe als dieAufgabe der Freimaurerei: "Unser Bund soll das Innere ohne Beziehung auf eine bestimmte Religiös entwickeln." Die Freimaurerei bekämpft nicht die Religiosität sie nimst auch nicht gegen die institutionelle R., gegen die Kirche Stellung, nur gegen jede Intoleranz. Im Sinne Schenkels ("Die Freimaurerei im Lichte der Religions- und Kirchengeschichte") gibt es drei Lösungsmöglichkeiten in der Frage der Religionen.

1. Der Sieg einer einzigen R., der wenig Aussichten hat und unheilvoll wäre.
2. Der Versuch einer Synthese, der zweifelsohne mißlingen würde.
3. Der Standpunkt der Toleranz, der einzig gangbare Weg, den auch die Freimaurerei einschlägt.
Religionsphilosophie,
s. Plastische Religionsphilosophie.
Religiöse Forderang, Die, der Freimaurerei
hat aktive Toleranz im Sinne Nathans des Weisen zum Inhalt.
Religiosität,
s. Religion.
Rennenkampf, Karl Jakob Alexander von,
livländischer Grandseigneur, Oldenburgscher Kammerherr. * 1783, t 1854, Freund Feßlers (s. d.), unterstützte diesen 1810 in Petersburg durch Ritualübersetzung bei der Aufnahme des berühmten russischen Staatssekretärs Michael Speransky (s. d.), als dieser vom Kaiser Alexander dazu bestimmt worden war, mit Feßler und dem Ünterrichts- und Polizeiminister eine Kommission Zwecks Begutachtung der maurerischen Tätigkeit zu bilden. 1842 wurde er Stuhlmeister der Loge "Zum goldenen Hirschen" in Oldenburg.
Renunziationsakte,
vom Wilhelmsbader Konvent der "Strikten Observanz" von 1782 beschlossene Urkunde, durch welche auf die Wiederherstellung des Templerordens und die Aufrechterhaltung der damit im Zusammenhäng stehenden Tradition feierlich Verzicht geleistet wurde.
Reparationsfrage.
Mitte Janner 1923 richtete General Gérard, Prasident des Ordensrates des Grand Orient de France, an den damaligen Ministerpräsidenten Poincaré namens des Großorients ein Schreiben, in dem er eindringlich ersuchte, die Frage der deutschen Reparationszahlungen dem Völkerbund zur endgültigen Entscheidung zu übertragen. Das Französische Komitee der "Fédération Maçonnique Internationale pour la Société des Nations" protestierte unter dem Vorsitz des Deputierten Accambray zu gleicher Zeit gegen alle gewaltsamen Lösungsversuche und legte, "erschüttert vom Gedanken an die möglichen Folgen der gegenwartig in Gang befindlichen Gewaltmaßnahmen" der französischen Regierung nahe, im Interesse des Weltfriedens "bei der allgemeinen Regelung der internationalen Schulden im Einvernehmen mit dem Völkerbund nach einer Lösung des Wiedergutmachungsproblems zu suchen, die nur durch die Wiederherstellung der allgemeinen Weltwirtschaft" möglich sei,
Repertoire Maçonnique,
RÉPERTOIRE
Ende 1909 erschienene antifreimaurerische Publikation, die auf 760 Seiten 30.000 Namen von angeblichen Freimaurern Frankreichs und der Kolonien enthielt
Representative
(engl.), Freundschaftsbürge.
Respectable Loge
(Erz.) in Frankreich übliche Bezeichnung der Logen.
Retcliffe,
s. Goedsche.
Rettugsbote.
Rettungsstationen in England besitzen mehrere von Freimaurern (Masonic Lifeboat Association) gestiftete Boote zur Rettung aus Seenot.
Reuchlin, Johann,
* 1455 in Pforzheim t 1522 Seine wesentliche Bedeutung liegt auf dem Gebiete der Philologie. Er ist der erste deutsche Trilinguist: Latein-Griechisch-Hebräisch. Die Kenntnis der beiden letzteren Sprachen dem gelehrten Deutschland vermittelt zu haben, ist sein bleibendes Verdienst Mißbrauche der mönchischen Religion erkennend, schrieb er "De arte praedicandi", das zu einer Art Predigerhandbuch wurde. In der Auslegung der Bibel hielt er sich an den hebräischen Urtext, wodurch er mit den sich auf die lateinische übersetzung (Vulgata) stützenden Kirchenautoritäten in Konflikt geriet. Denn auf Irrtümern in dieser Übersetzung waren Kirchliche Lehren vielfach aufgebaut. 1506 schrieb er seine "Rudimenta hebraica", eine Grammatik und Lexikon, und 1512, da von Italien infolge Krieges keine hebräischen Bibeln bezogen werden konnten, ließ er die Bußpsalmen mit grammatischen Erklärungen drucken — der erste in Deutschland gedruckte hebraischeText.

R.s Interesse am Hebräischen war wesentlich auch auf die Kabbala gegründet. Seine griechischen Studien führten ihn zur Philosophie, vornehmlich den spätgriechischen phantastisch-mystischen Philosophen, mit denen die Kabbala manche Wesensverwandtschaft aufweist. In den Spuren des Pico de Mirandola wandelnd, glaubte er in der Kabbala eine tiefe Theosophie zu finden, welche zur Verteidiguns des Christentums und zur Versöhnung der Wissenschaft mit den Mysterien des Glaubens höchst dienlich sein könnte, "ein in iener Zeit der Gärung begreiflicher Irrtum, wo sich altes und neues Geistesleben noch nicht klar voneinaner geschieden hatten und die Fortschrittlichen weniger darauf bedacht wanren, sich von einer bloßen Tradition zu befreien, als eine alte Tradition zu finden, die im Dunkel mittelalterlicher Unwissenheit verlorengegangen war" (Smith, Encycl. Brit.).
Seine Vorliebe für die rabbinische Literatur verwickelte ihn in den Streit um die Vernichtung der jüdischen Literatur, welche insbesondere durch den Konvertiten Pfefferkorn betrieben wurde, ein Streit, an dem sich Kaiser, Papst, Fürsten und Bischöfe auf beiden Seiten beteiligten, wobei die vornehmsten Geister und Charaktere, insbesondere Ullrich von Hutten, auf R.s Seite standen. (Ausführlich dargestellt in David Friedrich Strauß, "Ullrich von Hutten".) Schließlich schlug der Papst den Prozeß nieder unmittelbar bevor das für R. günstige Urteil verkundet werden konnte. Im Verlaufe des Streites hatte R. zu seiner Verteidigung den "Augenspiegel" und die "Defensia contra Calumniatores" geschrieben, während seine Freunde ihm mit den "Epistolae Obscurorum Virorum" (Briefe der Dunkelmänner) zu Hilfe kamen.

Das rege Interesse der freimaurerischen Forschung an R. ist teils darin begründet, daß er Gesellschaften angehört hat, wie sie von manchen als Keimzellen oder Vorstufen der Freimaurerei angesehen werden, und daß er auch die Form einer Einführung in eine derartige Gesellschaft für seine kabbalistische Schrift "De verbo mirifico" gewählt hat, teils , im Inhalte seiner kabbalistischen Schriften selbst, nämlich: "De verbo mirifico", "Arcana Academia" und "Ars Cabalistica".

Fritz Mauthner (Einleitung zu Agrippa v. Nettesheim, "Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften") laßt sich über das "Verbum Mirificum" R.s und damit über das ganze Wesen der Kabbala wie folgt aus: "Er (Agrippa v. Nettesheim) las über ,Das Wundertätige Wort' von R., das funfzehn Jahre früher erschienen war und in einem wüsten Durcheinander christlichen Glauben, neuplatonischen Mystizismus und kabbalistische Buchstabenspielereien zu vereinigen suchte. Die Kämpfe um die Benützung der kabbalistischen Judenbücher waren damals noch nicht ausgebrochen. Die Schrift ,Vom Wundertätigen Worte' galt bei den wundersüchtigen Zeitgenossen für ein Meisterwerk geheimer Wissentschaft. Wenn wir es heute lesen, glauben wir einen Chor von hunderttausend Narren sprechen zu hören. Das hebräische Alphabet soll , uns alle Geheimnisse der Natur und des übernatürlichen deuten. Drei Buchstaben bilden den Namen des Urgottes, vier Buchstaben den Gott des alten Bundes (Jehova in der hebräischen Schreibung), fünf Buchstaben den Namen Jesus; das Buchstabenzeichen des Kreuzes der griechische Buchstabe T. ist das tiefste Geheimnis.
Mit Hilfe dieser Buchstaben kann man alles Verborgene erkennen, und wohl auch Zauber wirken." Dieses Urteil hinderte jedoch andere nicht, die Bedeutung der kabbalistischen Studien R.s sehr hoch einzuschätzen. Solche Forscher versuchen insbesondere einen engen Zusammenhang zwischen den kabbalistischen Lehren und der Andersonschen Konstitution der Großloge von England herzustellen und glauben namentlich einen deutlichen Einfluß der ersteren auf die der Konstitution voraus geschickte "Geschichte" der Freimaurerei nachweisen zu können, wozu allerdings das Schwedische (Zinnendorfsche) System mehr Handhaben als andere Lehrarten zu bieten scheint. (Vergl. Gloede, Ordenswissenschaft, II Bd., letztes Kapitel.)
Réunion,
Insel im Indischen Ozean, französische Kolonie; unter dem Grand Orient de France arbeitet eine Loge in St. Denis.
Reuß, Theodor,
Opernsänger, später Journalist, * 1855 in Augsburg, betätigte sich anfangs des 20.Jahrhunderts in Deutschland als Gründer und Leiter und Importeur aller möglichen irregulären Riten. So führte er den Memphis- und Misraim-Ritus, den Swedenborg Ritus, das Cerneau-System, die Orientalisch en Templer usw. ein und erteilte auch "Patente" für auslandische Gründungen gleicher Art. Zu geschaftlichen Zwecken benutzte R. die Freimaurerei, in die er in London Eingang gefunden hatte, mißbrauchlich als Aushängeschild. In einigen der Systeme wurden sexuelle Yoga übungen abgehalten.
Reuß, Fürsten,
die dem Freimaurerbund beitraten, s. Fürsten, Deutsche
Reuterdahl, Henrik,
Erzbischof von Upsala, * 1795, t 1870, bekannter Kirchenhistoriker, Anhänger Schleiermachers, Verfasser von "Einleitung in die Theologie" und "Kirchengeschichte Schwedens", spielte in der Großen Landesloge von Schweden eine bedeutende Rolle, war Ritter des Ordens Karls XIII. (s. d.).
Réveil Français, Le.
1924 von Emile Bergeron in Paris gegründete, wöchentlich erscheinende Zeitung, die seit 1927 ihre Auf gabe in der Bekämpfung der Freimaurerei erblickt. Zu diesem Zwecke wurde auch eine gleichnamige Organisation ins Leben gerufen.
Reverchon, Isaac,
Professor in Genf, * 1862, t 1927, ursprunglich Advokat, dann Padagoge, Präsident des Rates der national katholischen Kirche, Verteidiger des religiösen Liberalismus, Freimaurer seit 1887 (Loge "Les amia fideles"), 1920—192S Großmeister der schweizerischen Großloge "Alpina". R. berief den internationalen Konvent 1921 ein, der zur Gründung der A. M. I. (s. d.) führte, und fungierte als Präsident des beratenden Ausschusses, seit 1925 als Großkanzler dieser Körperschaft.