Rene Descartes


Rene Descartes (lateinische Form: Renatus Cartesius) wurde am 31.März 1596 in La Haye, Touraine geboren und starb am 11.Februar 1650 in Stockholm.

Er entstammte einem vornehmen Adelsgeschlecht und besuchte die Jesuitenschule in La Fleche. 1617 trat er in den Militärdienst und nahm an Kämpfen in den Niederlanden, in Böhmen und in Deutschland teil. Später lebte er zurückgezogen, meist in den Niederlanden; im Jahr 1649 ging er auf dringliche einladung von Königin Christine nach Stockholm.

Descartes war der Begründer und maßgeblichste Vertreter des modernen Rationalismus. gegenüber dem auf Tradition und göttliche Offenbarung gestützten geistigen Herrschaftsanspruch der Kirche betonte er das primat der Vernunft, der 'ratio'. Die Philosophie emanzipierte sich damit von der Theologie ('Cartesische Zäsur'), aber noch blieben (bis Anfang des 19. Jahrhunderts) Philosophie und Naturwiisenschaft eine Einheit; Descartes beschäftigte sich viel mit ethischen Problemen, aber sein Interesse war primär auf die Naturerkenntnis gerichtet.

Descartes Philosophie beginnt mit dem methodischen Zweifel. Die Möglichkeit, daß sich Verstand und Sinne täuschen, veranlaßte ihn dazu, nichts als gesichert gegeben anzunehmen. Im Labyrinth des Irrtums findet Descartes endlich einen Anhaltspunkt: Unbezweifelbar bleibt das Faktum des zweifelns als einer Art des Denkens. Es kann an der Tatsache, daß ich zweifle, nicht gezweifelt werden. So stößt Descartes zu dem berühmten Satz vor, dem Ausgangspunkt seines Systems:

"Cogito ergo sum" - Ich denke also bin ich.

Damit ist ein Wahrheitskriterium gefunden, das zur 'regula universalis' erhoben wird. Nichts ist uns so unmittelbar gegeben wie unser eigenes Denken, und in ihm ist die Wahrheit zu suchen und zu finden. Das Denken ist also ausschließliches Erkenntnismittel, auch über die Natur. Damit ist der Rationalismus in Reinkultur begründet; für empirische, erfahrungsmäßige Erkenntnis ist bei Descartes kein Platz. Er ist also erkenntnistheoretisch Antipode zu Francis Bacon.

Von der im "cogito ergo sum" gefundenen Basis schloß Descartes auf die Existenz Gottes und weiter auf die Existenz der Welt. Diese ist geschieden in die denkende Substanz (res cogitans) und die körperliche Substanz (res extensiva). Die körperliche Substanz wird durch ihre Ausdehnung gekennzeichnet, ja die Substanz ist geradezu gleichbedeutend mit dem Raum, den sie einnimmt. Folglich gibt es eine unbeschränkte Teilbarkeit des Raumes; es kann keine Atome und auch kein Vakuum geben.

Alle Erscheinungen in der Natur führte Descartes auf Bewegungen von drei Arten von Materie (bzw. Raumteilen) zurück; die Mechanik, die in Antike und Mittelalter geradezu der Gegensatz zur Physik gewesen war, wird nun gleichbedeutend mit der Physik (mechanistisches System). Beispielsweise erklärte Descartes die Anziehung der Planeten durch die Sonne und zugleich ihre Achsendrehung durch Wirbel subtiler Materie (ähnlich wie leichte Holzstückchen in Wasserwirbeln mitgerissen und zugleich in Drehung versetzt werden). Das konkrete Modell Descartes ist wertlos; geistesgeschichtlich um so bedeutender ist seine starke Überzeugung, daß alle Naturerscheinungen rational erfaßbar und erklärbar sind.

Im Geiste des christlichen Neuplatonismus glaubte Descartes an das Wirken unveränderlicher Gesetzmäßigkeiten hinter den sinnlich wahrnehmbaren, scheinbar chaotischen Veränderungen in der Welt. So kam er zu einem wichtigen Erhaltungssatz: Die Bewegung eines Raumteiles kann sehr wohl verschwinden, dafür wird sie aber, z.B. durch Stoß, auf einen anderen Bereich übertragen. Es ist also die Bewegung des einzelnen Körpers höchst variabel, aber eine Abnahme in einem Bereich wird immer durch entsprechende Zunahme bei einem anderen Körper kompensiert. Im Naturganzen hat die Bewegung der 'motus', eine festgelegte Größe ("certa et determinata quantitas"). So folgerte Descartes in den 'Principia Philosophiae' von 1644 aus der Vollkommenheit Gottes die Erhaltung der Bewegung m v, wobei er aber noch nicht den Vektorcharakter der Größe erkannt hatte und gelegentlich auch mit Bewegungen nicht m v, sondern eine "Kraft" im Sinne von Arbeit meinte. Diese Unklarheit des hochbedeutsamen Descartes'schen Ansatzes wurde in den folgenden Generationen durch klare Definitionen der Größen 'Impuls', 'Kraft' und 'Arbeit' beseitigt.

Aus dem Erhaltungssatz suchte Descartes nun unter Zuhilfenahme weiterer Gesetze (z.B. des Trägheitsgesetzes) den Stoß zweier Massen vollständig zu behandeln, aber es gelang ihm die richtige Lösung nur in einigen ganz einfachen Fällen. Erst Christiaan Huygens vermochte das Problem des zentralen Stoßes in Allgemeinheit zu lösen.

Als seine wichtigste Entdeckung hat Descartes seine 'mathesis universalis' angesehen. Gemeint ist die von Francois Vieta (1540 - 1603) als 'algebra speciosa' eingeführte Buchstabenalgebra, die von Descartes als universale Grundlage aller Wissenschaften aufgefaßt wurde. Descartes vollzog dabei mit der Begründung der analytischen Geometrie den entscheidenden ersten Schritt zur Einführung der mathematischen Formelsprache in die Physik; und wieder war es Huygens der den Descartes'schen Ansatz weiterführte.


Quelle: Armin Hermann 'Lexikon - Geschichte der Physik A-Z', Aulis-Verlag Deubner & Co KG 1978