VITRIOLUM: VISITANDO INTERIORA TERRAE
RECTIFICANDOQUE INVENIETIS OCCULTAM
LAPIDEM VERAM MEDICINAM
(Wenn ibr das Innere der Erde aufsucht und die Wege recht macht,
werdet ihr den geheimen Stein als die wahre Medizin finden).
Basilius Valentinus (15. Jh.)
.
Die geistige Alchimie zielt auf die Veredelung unserer Persönlichkeit.
Das ganze Ausmaß dieses Prozesses kann hier nur angedeutet werden.
Dabei kommt dem Menschen die Vermittlerrolle zwischen "oben" und "unten" zu.
Jedem von uns ist eine bestimmte Aufgabe zugedacht, die sich in unseren Wunschen und unserem Tun manifestieren kann.
Der alchimische Veredelungsprozeß richtet sich von innen nach außen und dient unserer eigenen Transformation.
Die beiden Hauptkomponenten dabei beruhen auf Wunsch und Intellekt.
Diese Arbeit kann indes nur gelingen, wenn wir dazu auf rechte Weise vorbereitet sind: Deshalb muß ein Lernprozeß der alchimischen Arbeit vorausgehen.
Bleibt uns die wahre Natur der Wunsche, die in uns erstmalig aufsteigen, doch meist unbekannt.
Mit dem Brennen des Kupfers beginnt der alchimische Prozeß:
Jeder noch unausgegorene Wunsch sollte im Feuer der sorgfältigen intellektuellen Analyse erhitzt werden, bis seine Form niederschmilzt; dann kann vor dem geistigen Auge das eigentliche Motiv auftauchen das es zu hinterfragen gilt.
Wird der Wunsch nun auf sein wesentliches Motiv reduziert, entsteht daraus ein perfekter Kristall.
Sind unsere Wunsche so also schlussig und stimmen sie mit der "kosmischen Ordnung" überein, wird es gelingen, unedles in "wahres Gold" umzuwandeln.
Was ist Gott? Er ist Lange, Breite, Höhe und Tiefe.
Bernhard voll Clairvaux
Die Zahlenmystrik des Pythagoras ist keine metaphysische Träumerei.
Sie bietet die Grunkdlage einer Vision des Kosmos, in der sich die Lebenskraft in einer Vielfallt von Formen manifestiert.
Die okkulte Geometrie beruht weder auf Axiomen (Grundsätze, die keines Beweises bedurfen) noch auf Annäherungen , sondern auf der meditativen Erkenntnis über den Ursprung aller Dinge.
Diese Art von Zugang auf eine bestimmte Aufgabe unterscheidet die "mundane" von der "okkulten Geometrie".
Zahlen sind Ersccheinungsformen der Einheit.
Um unser Leben ordnen zu können, müssen wir "unser Maß" anwenden.
Meinte deshalb nicht schon Protagoras (ca. 485 - 415 v. Chr.), daß der Mensch das "Maß aller Dinge" sei? Die Kunst, ein bestimmtes Wissen anzuwenden, hangt mit der Beschreibung des entsprechlenden Maßes (der Materialien, Krafte, Dimensionen, Eigenschaften etc.) zusammen.
Das Messen erfordert als Referenz eine Zahlenreihe.
Dies trifft für die okkulten Wissenschaften ebenso zu wie für die mundanen.
Daß dern Zahlen aber eine tiefere Bedeutung unterliegt, will die profane Welt nicht wahrhaben; sie weist dies als "okkult" ab.
In unseren Betrachtungen möge uns die Zahl 10 als Beispiel dienen.
In einem der Bucher dles Hermes Trismegistos können wir folgende Erklarung lesen:
"Die Zahl 10 ist die Mutter der Seele, und Leben und Licht finden sich darin vereint, weil Eins aus dem Geiste und Zehn aus der Materie geboren sind.
Einheitt schafft die Zehn und Zehn die Einheit.
" Das Symbol für die Zahl 10 wird aus einem vertikalen Strich und einem Oval gebildet.
Das erste Zeichen steht für den Anfang und das Oval (die 0) für das Ende.
Das Oval symbolisiiert das Ei der Welt, die Schöpfung.
Das A(lpha) bildet den Anfang und das Omega (Q) das Ende des griechischen Alphabets.
Im griechischen Text des Neuen Testaments wird Christus als das A und Q bezeichnet.
Der Hinduismuss stellt die sexuelle Polarität in ähnlicher Symbolik dar, durch Lingam und Yoni:
ein Kreis und ein vertikaler Balken - oder wiederum die 10, Vereiniggung und Einheit.
Über alle Aspekte dieses Symbols gäbe es noch viel zu schreiben, wie sein Zusammenhang mit dem Atem des Lebens ("As" im Sanskrit), aus dem wiederum im Sanskrit wie im Hebraischen verschiedene Gottesnamen entstanden.
Egal, ob wir uns der Kunst des Kathedralenbaus zuwenden oder den Großen Komponisten der Barockzeit; sie alle kannten die Zahlenmystik.
Kepler bewies, daß die Abstande der Planetenbahnen den gleichen harmonischen Gesetzen folgen wie die der Musik, und der russische Physiker Mendelieff formulierte trefflich, daß "in der scheinbaren Unordnung der Sterne und der Atome eine wunderbare Ordnung hersche.
Die unsichtbaren Bewegungen der chemischen Partikel gleichen denen der Himmelskörper, und die Atome der unsichtbaren Welt denen der sichtbaren".
So werden auch die Grammatiker davon Zeugnis
ablegen können, da sie sich daran erinnert sehen,
daß man hier die Gründe für die Formen der Buchstaben,
ihren Ort und Stellenwert in der Ordnung des Alphabets,
ihrer verschiedenen Beziehungen, ihres Zahlenwertes
und verschiedener anderer Dinge findet,
wie sie sich aus dem primaren Alphabet der drei
Gründsprachen (Hebraisch, Griechisch und Latein) ergeben.
John Dee (1527- 1608)
Die Weisheitslehre unserer Tradition geben viele alte Manuskripte nur verschlusselt wieder.
Dies bezieht sich im besonderen auf die Rosenkreuzerschriften des 17. Jahrhunderts: Jahreszahlen, Initiale und Namen haben hier eine okkulte Bedeutung, die sich aus den gematrischen Systemen der jeweiligen Gründsprachen Hebràisch, Griechisch und Latein ableiten lassen.
So muß der exoterische Sinn eines okkulten Textes nicht notwendigerweise seinem "okkulten Sinn" entsprechen.
Dies gilt sicherlich auch für so manchen Teil unserer Bibel.
Abb. 44
Monas-Hieroglyphe von John Dee
In seinem MYSTERIUM PANSOPHICUM schreibt Jakob Böhme, "daß das hebraische Alphabet das Mysterium der Sprache der Natur und die Namen des (kabbalistischen Lebens-) Baumes mit seinen Asten und Zweigen offenbare".
Somit kann die okkulte Sprache als eine Art von Geheimschrift aufgefaßt werden, in der die okkulte Weisheitslehre geschützt wurde.
Dies deutet auch John Dee in dem oben wiedergegebenen Absatz an, der seiner MONAS-HIEROGLYPHlCA von 1564 entnommen ist.