Im Februar 1616 erklärt das Heilige Offizium, "die heliozentrische Lehre sei töricht und falsch".
Galilei wird zur Auflage gemacht, keine ketzerischen Lehren mehr zu verkunden.
1632 beschließt der nun schon betagte und krankliche Galilei aber doch seinen Dialog (uber die beiden großen Weltsysteme) herauszugeben, denn, so klagt er, "mein Leben schwindet dahin und mein Werk ist zum Vermodern verdammt".
Der Drück der Inquisition zwingt Galilei, seine Erkenntnisse zu widerrufen, dem sich der kranke Greis beugt, um darauf zu lebenslanglichem Hausarrest verurteilt zu werden.
Der Landgraf von Hessen-Kassel, Wilhelm IV. (der Weise, 1532 1592), den wir bei den Rosenkreuzern wieder antreffen werden, baut als erster deutscher Astronom auf den von Regiomontanus geschaffenen Grundlagen weiter auf.
Er errichtet auf seinem Schloß in Kassel die erste moderne sternwarte mit einer drehbaren Kuppel und einer für damalige Verhaltnisse sehr zeitgenauen Uhr.
Mittels dieser Anordnung kann er beweisen, daß sich die Erde wirklich gleichförmig dreht.
Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Andreas Schöner bestimmr er die Positionen von eintausend sternen und schafft damit ein prazises Netz von bezugspunkten für alle nachfolgenden Astronomen.
1575 besucht ein Jünger adeliger dänischer Astronom die sternwarte und tauscht seine Erfahrungen mit denen des Landgrafen aus.
Diesem Besucher, Tycho Brahe (1546 - 1601), wird es gelingen, mit Hilfe riesiger Mauerquadranten und sextanten Messungen von bis dahin unbekannter Genauigkeit anzustellen.
Als Jurastudent in Leipzig hat er bereits viel mehr Interesse an Planetentafeln als an Gesetzestexten gezeigt.
In Augsburg darf er am Entwurf und Bau eines riesigen Azimut-Quadranten mitarbeiten und kann neben einen Globus auch einen sextanten von 1,5 m Lange erwerben.
Damit beweist er nach seiner Rückkehr in Dänemark, daß der 1572 entdeckte "Komet" eigentlich ein Fixstern sei, der seitdem seinen Namen (Tychos Nova) tragt.
Seit dieser Zeit bemüht sich auch der dänische König Friedrich II., den Angeboten anderer Lander zuvorzukommen und Tycho im eigenen Land wirken zu lassen.
Er stellt ihm sogar eine kleine Insel in der Nahe der Hafenausfahrt von Helsingör für seine Beobachtungen zur Verfügung.
Tycho errichtet gleich zwei sternwarten, Uranienborg und Stjerneborg, mit nicht weniger als achtundzwanzig Instrumenten ausgestattet.
Damit können er und seine studenten ihren beobachtungen mit größerer Genauigkeit nachgehen als anderenorts.
Die Prazision der Messungen dieses Teams ist so groß, daß er als erster Astronom bei seinen beobachtungen die brechung des sternenlichts in der Erdatmosphare mit einbeziehen muß.
Tycho Brahe setzt das Werk Wilhelms IV. fort und bestimmt einundzwanzig standardsterne und ein Netz von zusätzlichen 756 sorgfaltig vermessenen Gestirnen.
Mit dem Tode seines Gönners, König Friedrich II., sinkt allerdings sein Glucksstern.
Als man ihm noch seine sternwarten nimmt (die später verfallen), verlaßt er Dänemark verbittert und tritt die stelle als Hofastronom des Kaisers Rudolf II. in Prag an.
Hier stirbt er zwei Jahre später, von Neidern und Kritikern angegriffen und vom Kaiser um die versprochenen Forschüngsgelder geprellt.
Seine Aufzeichnungen sollten jedoch einem anderen zugüte kommen: Johannes Kepler, den Brahe noch vorher nach Prag eingeladen hat, weil er auf dieses Jünge Genie seine ganze Hoffnung setzt, in der Fachwelt rehabilitiert zu werden.
Aber auch, um einen wurdigen Nachfolger für seine Forschungen zu finden.
Der spätere Hofastronom und kaiserliche Mathematikus Johannes Kepler (1571 - 1630), ein bucher nach dem Weltgeheimnis, verfeinert nicht nur die astronomischen Erkenntnisse seiner Vorlaufer weiter, sondern errichtet als Philosoph und gläubiger Christ ein allumfassendes Gedankengebäude.
Allerdings bleiben ihm die Widerwartigkeiten der Religionswirren seinem beruflichen wie privaten Leben nicht erspart.
"Ich möchte in Gewissensdingen wirklich nicht zum Heuchler werden, ich will mich an dem Theologengezank nicht beteiligen . . .
In der Theologie gilt das Gewicht der Autoritäten, in der Philosophie das der Vernünftgründe.
Heilig ist das Offizium unserer Tage, das die Kleinheit der Erde zugibt, aber ihre bewegung leugnet.
Heiliger ist mir die Wahrheit.
Wer zu einfaltig ist, die Astronomie zu verstehen, oder zu kleinmutig, um ohne Angst für seine Frömmigkeit dem Kopernikus zu gläuben, dem gebe ich den guten Rat, die schule der Astronomen zu verlassen und sich seinen Geschaften zu widmen.
" Keplers Modell des Sonnensystems basiert auf den fünf regelmäßigen (platonischen) Körpern der Geometrie.
Um sich seine Hypothese bestätigen zu lassen, schickt er Tycho Brahe eine Abschrift seiner Arbeit nach Prag, der ihn daraufhin zur Mitarbeit auf Schloß Betanek einladt.
Kepler kommt dieser Einladung gerne nach, gilt Brahe doch als der erfahrenste und bestausgerustete Astronom seiner Zeit.
Später, mit dem Tode des Danen, tritt Kepler dessen stelle als Hofmathematikus Kaiser Rudolfs II. an.
Nun kann Kepler Brahes Aufzeichnungen in Augenschein nehmen, die den Planeten elliptische Bahnen zuweisen.
"Was war ich doch für ein Tölpel!" ruft er bei ihrem Studium aus.
Acht Jahre dauert es noch, bis Kepler aus ihnen seine ersten beiden Planetengesetze in seiner ASTRONOMIA NOVA veröffentlicht.
In seiner HARMON ICE MUNDI LIBRI V folgt das dritte Gesetz, mit dessen Hilfe sich die Abstande zwischen Sonne und Planeten genau bestimmen lassen.
"Meine Absicht ist es aufzuzeigen", so schreibt er, "daß die Himmelsmechanik nichts mit dem göttlichen Walten gemein hat, insofern als nahezu alle die mannigfachen bewegungsablaufe mittels einer einzigen, ganz simplen magnetischen Kraft erfolgen.
" Damit kommt er dem später von Isaac Newton formulierten Gravitationsgesetz sehr nahe.
Dieses Werk widmet Kepler dem englischen König Jakob I. Ein Exemplar besitzt die Stadt Regensburg als Dank für die Gewährung von Asylrecht, nachdem die katholische Liga Graz, seinen damaligen Wohnsitz, eingenommen hat.
Regensburg ist neben Tübingen, Graz, Linz, Padua, Prag und Sagan in Niederschlesien des öfteren eine der vielen Stationen auf Keplers rastlosem Lebensweg während der Zeit der Religionswirren.
Abb 25: Johannes Kepler
Auf dem Reichstag zu Regensburg verteidigt er die Kalenderreform* von Päpst Gregor VIII. gegen die protestantischen stande.
Währenddessen wird seine Mutter in Wurttemberg der Ketzerei angeklagt, und er muß seinen ganzen Einfluß geltend machen, daß die fünfundsiebzigjahrige Frau 1621 freigesprochen wird.
Regensburg ist auch Keplers letzte station.
Er stirbt dort am 15. November 1630.
Als gläubiger Lutheraner muß er außerhalb der Stadtmauern - am Tage der Mondfinsternis - begraben werden.
Sein Grab hat sich uns indes nicht erhalten, es geht in den Zerstörungen der Schwedenkriege 1633/34 unter.
Überliefert hat sich uns nur die von ihm selbst verfaßte Grabesinschrift:
HIMMEL HABE ICH GEMESSEN,
JETZT MESSE ICH DIE SCHATTEN DER ERDE.
HIMMLISCHEN LEBENS MEIN GEIßT,
SCHATTEN MEIN LEIB, DER HIER LIEGT.
Doch nicht nur die Astronomen leiten die Neuzeit ein.
Vielmehr sprudeln allenthalben und auf allen Wissensgebieten neue Erkenntnisse hervor, ausgelöst durch die Abkehr von der mittelalterlichen Dogmatik.
Es ist, als wenn sich gleichsam wie mit der Öffnung eines Ventils die über Jahrhunderte angestauten und unterdrückten Denkweisen plötzlich aus ihren starren Formen zu befreien suchten.
Aber auch im anderen Lager hat es große Geister gegeben, so Peter Kanis, der spätere heilige Petrus Canisius (1521 - 1597), der am 8. Mai 1521 zu Nimwegen im Herzogtum Geldern geboren wurde.
Er wuchs zu einer Zeit auf, als der Protestantismus Norddeutschland eroberte.
Nach seinem Theologiestudium in Köln trat er 1543 in den 1534 von Ignatius von Loyola auf dem Montmartre gegründeten Jesuitenorden ein.
In Köln schuf er die erste Niederlassung dieses Ordens in Deutschland.
Gemäß den Annalen des Ordens zählte er als achter Ordensbruder zu den allerersten, die zur feierlichen Profeß Zulassung erlangten.
1546 zum Priester geweiht, nahm er den Kampf gegen die Lehren Luthers mit aller Entschiedenheit auf und wurde später der eigentliche Kopf der Gegenreformation.
Ein weiteres Mitglied der Gesellschaft Jesu (Jesuiten) muß hier noch Erwähnung finden, Athanasius Kircher (1602 - 1680).
Während der geistigen Auseinandersetzungen im übergang zwischen den noch in mittelalterlichen Denkschemen gefangenen Traditionalisten und den freiheitlich orientierten Humanisten ist es sein Verdienst beigetragen zu haben, die Kluft zwischen der objektiv materiellen Weltbetrachtung und der subjektiv geistigen Welt nicht weiter zu vergroßern.
Als Universalgelehrter macht er sich nicht nur daran, ägyptische Hieroglyphen zu übersetzen und eines der altesten Museen zu gründen; er gilt zudem als einer der größten musikalischen Enzyklopädisten des frühen ßarock, Erfinder der "Laterna Magica" und zahlreicher Symbolsprachen, "Vater der Geologie" und Erkunder biologischer Prinzipien und Gesetze.
Sein Glaube an den gemeinsamen Ürsprung aller Religionen schimmert immer wieder in seinen schriften und Illustrationen durch.
So ebnet er den Weg zu einem späteren universalen philosophischen Verstandnis, einer "Philosophia Perennis", wie es Ende des 17. Jahrhunderts Leibniz verkundet und etliche Jesuiten aufgreifen.
Uns Suchenden ist Kirchers Gedankengut zumeist durch die Illustrationen seiner Schriften bekannt, wie die in seiner ARCA NOE, ARS MAGNA LUCIS ET UMBRAE, CHINA MONUMENTIS, TURRIS BABEL, OEDIPUS AEGYPTIACUS oder seiner SPHINX MYSTAGOCA.
Mit seiner Ideenwelt noch zu tief in alter Denkweise verhaftet, vermag er aber kaum neue Wege aufzeigen.
Doch verleiht er uns Einblicke in die Denkweise der frühen Enzyklopädisten, die stets alles Neue mit fruheren Ideen zu verbinden suchen. .
Abb 26: Deckblatt zu ARITHMOLOGIA, ROM 1665
Der Ganzheitsgedanke von Körper, Geist und Seele des menschlichen Wesens, den die griechischen Naturphilosophen entwickelt hatten, wurzelte sicherlich noch im Urchristentum.
Paulus verwendete ihn in seinen Briefen, so in seiner Grußbotschaft an die Thessaloniker.
Im Geist (dem griechischen Pneuma) hatte die Antike die Gottähnlichkeit im Menschen gesehen.
Später reduzierte die römische Kirche das Wesen des Menschen auf Körper und Seele.
In der Welt der Gegensatze gab es fortan nur mehr Licht und Schatten, geistige und weltliche Macht, Religion und Wissenschaft.
Daher konnte das Wesen des Menschen seine göttliche Herkunft nicht mehr durch sich selbst zum Ausdruck bringen.
Der Mensch hatte vielmehr mit dem "Sundenfall" die Verbindung zu seinem Schöpfer verloren und lebt seither im Exil.
Der Weg der Ruckkehr ist ihm verschlossen, und diese situation kann-gemäß Augustinusnur aus der göttlichen Gnade heraus geandert werden.
Bei diesem Konstrukt, wundert es gar nicht, welchen Einfluß die Kirche nehmen konnte, auch auf das Denken des Mittelalters.
So verkundete sie, "daß Gott die Menschheit aus einem einzigen Grund zum Mittelpunkt des gesamten Universums gemacht habe: um entweder Erlösung zu erreichen oder aber verdammt zu werden".
Alles wurde entweder von der göttlichen Kraft oder den heimtuckischen Versuchungen des Teufels gelenkt und deshalb musse jeder Christ, bei allem, was er tut, die Wahl zwischen diesen beiden Kraften treffen.
Aufgabe des Klerus war es, die schriften zu deuten und über jeden schritt ihrer Gläubigen zu wachen und darüber zu urteilen, ob er im Einklang mit dem Willen Gottes erfolge, oder ob er den Versuchungen des Teufels erlegen sei.
Nun aber bringen die großen geistigen Umwalzungen der Neuzeit das von der Kirche so sehr gehutete Weltbild ins Wanken.
Die Astronomen legen unwiderlegbare beweise dafür vor (was Pythagoras allerdings bereits im 5.vorchristlichen Jahrhundert lehrte), daß sich weder Sonne noch Gestirne um die Erde drehen, wie es die Kirche vorgibt.
Die Kirche selbst hat das Wissen verloren, hier zwischen exoterisch-materieller und esoterischer sicht sorgfältig zu unterscheiden und verteidigt ihre Haltung diesbezuglich so ungeschickt und grausam, daß sie noch heute
den Unverständigen einen Anlaß bietet, sich darüber genuülich lächerlich zu machen.
Unsere Erde war zu einem kleinen und unbedeutenden Planeten geschrumpft, der eine Sonne in einer bedeutungslosen Galaxie umkreist, die wiederum Milliarden solcher Sterne beherbergt.
Die Menschheit hatte damit ihren Platz in der Mitte des göttlichen Universums verloren.
Das Geschehen um sie konnte nun nicht mehr Gott oder dem Teufel angelastet werden.
Alles brauchte jetzt eine neue Definition, einschließlich der Natur Gottes und unserer Beziehung zu ihm.
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Abb 27 Gesprach zwischen einem Theologen und Astronomen
Mit diesem bewußtsein wechselt das ehemalige Vertrauen der Masse gegenüber Kirche und weltlicher Autorität zu den Naturwissenschaften hinüber, von denen man ein neues Weltbild erwartet, eine Theorie, wie das Universum funktionieren konnte.
Damit ist eine situation entstanden, analog der Orientierungslosigkeit um die Zeitenwende, die der Antike folgte, oder der unseres Zeitalters.
Mit dem Fall Konstantinopels und Granadas haben sich die Aktionsradien der großen Handelszentren nach Norden hin verschoben.
Nun müssen die italienischen Handelsfamilien (wie die der Medici) ihre Aktivitaten ebenfalls mehr und mehr nach dem Norden und Westen Europas verlegen.
Die Umschlagplätze in Flandern und den in der Hanse zusammengeschlossenen Stadten gewinnen dabei außerordentliche Bedeutung.
Von dort bezichen auch die reichen Handelshäuser aus Augsburg und Nürnberg einen Großteil ihres Warenangebots.
Der Reichtum der Fugger, Tucher und Welser hat mit dem Tuchhandel begonnen.
Bald kommen Bergbau und Metallhandel dazu - Stein, Salz und Erze waren immer schon von enormer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen - und auch die Geldgeschafte nehmen immer größer werdende Ausmaße an...
Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert trachtet neben Adel und Geistlichkeit im zunehmenden Maße auch das Burgertum nach politischen Mitbestimmungsrechten und kundigt dadürch eine Gefahr für die "gottgewollte Ordnung der Welt" von Kirche und Reich an.
Betrachten sich doch neben der Kirche bereits seit dem frühen Mittelalter die Könige als die Huter des christlichen Gläubens, zu deren Aufgabe es gehört, die Einheit des Christentums im Reichsverbund zu wahren.
In den Anfängen der Reformbestrebungen reichen die technischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen noch nicht aus, um diesen auf breiter Basis Erfolgsaussichten bieten zu können.
Die Möglichkeit der Informationsverbreitung gewinnt damals wie heute außerordentliche Wichtigkeit und die Rolle des Büchdruckes dabei ausschlaggebende bedeutung Ohne die Erfindungen Johannes Gutenbergs Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die Reformation nicht stattfinden können, so daß Sie Martin Luther später "als das höchste und äußerste Gnadengeschenk Gottes" bezeichnet.
Erst der Büchdruck ermöglicht es, revolutionare Gedanken rasch und in hohen Auflagen zu verbreiten.
Auf dem kaiserlichen Thron des Heiligen Römischen Reiches sitzt zur dieser Zeit der Habsburger Karl V., ein Enkel Maximilians I.
Als Halbwaise mit einer gemutskranken Mutter (Dona Juana von Aragon und Kastilien) ist er im habsburgischen Spanien und Flandern aufgewachsen und in Utrecht von dem bedeutenden Theologen Adrian Florisz, dem späteren Päpst Hadrian Vl. (reg.1522 - 1523), zu asketischer Frömmigkeit erzogen worden.
Wie seine Vorfahren fühlt sich auch Karl V. für die Einheit des Christentums in seinem Territorium verantwortlich und sieht es als seine heilige Aufgabe an, sie gegen jegliches Ketzertum zu verteldlgen.