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DIE GRIECHISCHE GEISTESWELT
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Sie darf in keinem Ansatz unserer Geschichte fehlen, da sie als erste offen verkundet, was vordem nur unter Priestern und Eingeweihten kursiert.
Den griechischen Philosophen gilt das Streben nach Wissen um seiner selbst willen.
Um die Zeitenwende beeinflußt ihre Denkweise praktisch alle Wissensbereiche der Alten Welt und formt, wie wir noch sehen werden, auch maßgeblich den Glaubensinhalt des Christentums und die abendlandische Denkweise.
Der Leser möge bei der Lekture dieses Abschnitts zur weiteren Vertiefung in seinen Geschichtsbuchern oder denen seiner bucherei angeregt werden; eine auch nur annahernd vollständige Aufzahlung ist nicht beabsichtigt.
Es werden deshalb nur solche Philosophen aufgeführt, die in irgendeiner Weise am Außbau des okkulten Wissens beteiligt sind.
In ihrer mehr als achthunderjahrigen Geschichte bringt die "klassische" griechische Philosophie u.a. folgende Schulen hervor:

Die Philosophenschule von Milet: Thales (ca. 625 - 545 v. Chr. ) als ihr bekanntester Vertreter, Zeitgenosse von Krösus und Solon, erklart als erster die Entstehung der Welt nicht mehr nur mythologisch sondern wissenschaftlich.
Der Urgrund aller Dinge ist für Thales das Wasser, aus dem alles entstanden sein soll.

• Für den Mathematiker, Astronomen und Geographen Anaximander (ca. 611 - 545 v. Chr. ) kennzeichnet diesen Urgrund das unendliche und unbegrenzte Apeiron (das Unbestimmte).
Der Astronom Anaximenes (ca. 585 - 525 v. Chr. ) halt schließlich die Luft für den Urstoff, aus dem sich die anderen drei Elemente durch Verdichtung gebildet haben sollen.


• Der bekannteste Vertreter der Schule von Ephesus, Heraklit (ca. 544 - 483 v. Chr. ), philosophiert als erster spekulativer Philosoph über das Denken selbst.
Alles komme aus dem EINEN, sei dem ewigen Wechsel unterworfen und strebe schließlich dem EINEN wieder zu.
Deshalb kehre auch die Welt der Gegensatze letztendlich wieder zur großen Harmonie der Einheit zurück.

Die Schule der Pythagoräer wird nach ihrem Grunder Pythagoras (ca. 570 - 496 v. Chr. ) aus Samos benannt.
Seine Gemeinschaft haben wir bereits in dem Abschnitt über die bruderschaften der Antike kennengelernt.
Pythagoras verdanken wir unsere Grundkenntnisse der Arithmetik, Musik, Geometrie und der Sphärik sowie das Wissen über die Zusammenhänge zwischen Harmonie und Zahl.
Für Pythagoras als Wissenschaftler und religiöser Erneuerer bedeuten die Zahlen Schöpfungsprinzipien.
Er lehrt auch als erster, daß die Seele unsterßlich sei.

Die Schule der Eleaten zählt zu ihren bekanntesten Vertretern Parmenides (ca. 540 - 480? v. Chr. ) und seinen Lieblingsschuler Zenon (ca. 490 - 430 v. Chr. ), den "Erfinder der Dialektik" (der Suche nach Erkenntnis durch die Überwindung von Widerspruchen).
Gemäß Parmenides habe das Sein niemals einen Anfang gehabt und werde auch kein Ende finden.
Zur Wahrheit führen nicht die Sinne, sondern die Vernunft.
Was uns bewußt werde, forme unsere Realität.
"Denken ist Sein" nimmt das "Cogito ergo sum" des Philosophen Descartes ca. 2400 Jahre vorweg.
Die sinnliche Wahrnehmung bleibe trügerisch, weil sie uns anstelle des dauerhaften Seins eine Vielheit veränderlicher Dinge vorspiegele.

Die Schule der "jungeren" Naturphilosophie verßindet die eleatische Seinslehre mit der Lehre über das "Werden" der Dinge.
Anaxagoras (ca. 500 - 428 v. Chr. ) wändert 463 aus Kleinasien nach Athen aus und wird Freund von Perikles und Euripides.
Seine Welt aus unverganglichen Teilchen entsteht aus dem Chaos des Urzustandes durch eine Wirbelbewegung des Nous.
Durch Scheidung sei vom fluchtigen Ather bis zu den Meteoriren alles entstanden.
Werden und Vergehen sollen deshalb besser Mischung und Trennung genannt werden.

Der Ingenieur, Arzt und Priester Empedokles (ca.483 - 423 v. Chr. ), ein hervorragender Redner der Volkspartei, wird als Vater der Rhetorik betrachtet.
Er fügt die Erde als viertes alchimisches Element dem Wasser des Thales, der Luft des Anaximenes und dem Feuer Heraklits hinzu.
Der Urstoff werde vom band der Liebe zusammengehalten; durch Mischung dieses Stoffes entstanden jedoch gegensatzliche Krafte wie Liebe und Haß, die zur Trennung fuhrten.
Alles Sein besitze Denkkraft.
Die Entstehung von Pflanzen und Tieren bringt ihn auf die Selektionstheorie, zweieinhalb Jahrtausende vor Darwin.
Seine Gottesauffassung beruht auf der Idee "eines heiligen und unaussprechlichen Geistes, der mit schnellen Gedanken den ganzen Weltenbau durchfliegt".
Die Seelen(-persönlichkeit) entwickele sich in Lauterungsperioden bis zur höchsten menschlichen Stufe, von wo aus sie in ihre Urheimat zurückkehren könne.
Der Thrakier Demokrit (ca. 460 - 371 v. Chr. ) verwendet sein bedeutendes Vermögen für zwei große Forschungsreisen in das Morgenland und lebt nach seiner Ruckkehr ein beschauliches Leben in seiner Heimatstadt Abdera.
Der wohl bekannteste Teil seiner Philosophie besteht in seiner Lehre von den Atomen und vom leeren Raum.
Sein Werk NATUR UND MYSTIK sollte später in der TURBA PHILOSOPHORUM großen Einfluß auf die Alchimisten bei uns nehmen.

Sokrates und die Sophisten: ßis um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. pflegt man die Philosophie in fest geschlossenen Schulen.
Mit den Sophisten tritt sie nun hinaus auf den Marktplatz, die Agora, hinaus ins öffentliche Leben, das sich in ungeahnter Fulle und Lebendigkeit zu entfalten beginnt.
Nach dem Sieg über die Perser wird Athen Erbin des zerstörten Milet.
Wer politisches und soziales Ansehen gewinnen will, bedarf jetzt mehr als nur ein aristokratisches Vaterhaus, er muß neben bildung auch Redegewandtheit besitzen.
Die in rascher Folge hintereinander entwickelten metaphysischen Systeme aus Milet und Elea haben sich derweil erschöpft; die Zuverlassigkeit der Sinnenerkenntnis durch die großen nachfolgenden Denker ist erschuttert worden.
Es erheßt sich die Frage nach der Existenz von allgemeingultigen Wahrheiten.
Nach Protagoras (ca. 485 - 415 v. Chr. ), einem Landsmann Demokrits aus Abdera, sei der Mensch das Maß aller Dinge, der seienden, daß sie sind, der nicht seienden, daß sie nicht sind.
Jede Vorstellung besitze relative Wahrheit, allgemeingultige Wahrheiten gebe es keine.
Protagoras folgen eine lange Reihe von redegewandten Sophisten, denen Sokrates (469 - 399 v. Chr. ) entgegentritt.
Dieser zeichnet sich durch ein tugendreiches Leben aus, durch Rechtschaffenheit, Sittenreinheit, Bedurfnislösigkeit, Freimutigkeit, Menschenfreundlichkeit, Religiosität und Liebenswurdigkeit, aber auch durch Schlagfertigkeit, Witz und Humor.
Er weiß, "daß er nichts wisse" und drangt sich und seine Schuler zur Selbstbesinnung und zur Prufüng alles vermeintlichen Wissens.
Jeder musse selbst zur Wahrheit finden, das sei die Quintessenz seiner Philosophie.
Dadurch finde er zur Definition der Dinge und begriffe.
Seine Untersuchungen folgen dem Weg der induktiven Methode immer vom Gangbaren zum Abstrakten.
Damit gelangt er zu seiner Ethik.
Niemand handele mit Absicht schlecht, es fehle ihm nur die Einsicht! Sokrates' Gottesvorstellung weist monotheistische Zuge auf: schon die zweckmäßige Einrichtung des Weltalls deute auf eine weise, alles lenkende Gottheit hin.
Nachdem ein Gericht Sokrates dazu verurteilt hat, den Schierlingsbecher zu trinken (wegen Einführung neuer Götter und Verführung der Jugend), tritt Platon seine Nachfolge an.

Die Schuleder"klassischen"Philosophen: Platon (427 - 347 v. Chr. ) dankt den Göttern für vier Dinge: daß er geboren sei als Mensch, als Mann, als Grieche und als ßurger Athens zu Sokrates' Zeit.
Sein uns überliefertes Werk umfaßt fünfunddreißig Dialoge und eine Sammlung von briefen.
Durch ihn haben wir genaue Kenntnis über seinen Meister Sokrates, der uns selbst keine Schriften hinterließ.
Platon unternimmt den ersten wissenschaftlichen Versuch, die Frage nach der Erkenntnis zu stellen.
Die Wissenschaft von den reinen Ideen nennt er Dialektik, weil sie in der Unterredung mit anderen oder auch im Zwiegesprach mit sich selbst begriffe erzeuge, die in das Reich der Ideen führe.
In der Physik faßt er den Schall als Schwingungsbewegung auf, erklärt die Erscheinungen von Magnetismus und Elektrizitat und glaubt bereits an die Achsendrehung der Erde.
Das Lebenswerk seines thrakischen Schulers (und des späteren Lehrers Alexander des Großen) Aristoteles (384 - 322 v. Chr. ) hat nicht nur auf die Denkweise des ausgehenden Altertums Einfluß genommen, sondern über die Scholastiker auch die des abendlandischen Mittelalters geprägt.
Aristoteles ist ein Universalgenie, und sein Werk beinhaltet neben seinen philosophischen Schriften zahlreiche Abhandlungen über Zoologie, Anatomie, Physiologie etc.
Seine pragmatische Vorstellungsweise in der Philosophie leitet sich immer vom Allgemeingultigen ab, das nur der logischen bearßeitung bedarf.
Das letzte Ziel seiner Philosophie dient der Erkenntnis des Seins.
Aber er sucht das Wesen der Dinge in ihnen selbst und begrundet so die formale Logik, welche die Grundbegriffe wie Wesen und Substanz (ousla), Quantitat und Qualitat etc. beinhaltet.
Seine Erkenntnis, das sich Urteile über die Verknüpfung von begriffen zu Schlussen und beweisen zusammensetzen, greift später die mittelalterlich kirchliche Dogmatik auf.
Nie existiere ein Stoff ohne alle Form, wohl jedoch ein selbständiges Prinzip der Formen.
Erster beweggrund aller Dinge sei der göttliche Geist (Nous), ewig, unveränderlich, getrennt von allem ubrigen und doch die Ursache desselben.
Im Wesen und in der Ursache aller Dinge ruhe ein Zweck.
"Die Natur tut nichts umsonst!" Im Unterschied zu seinem Lehrer Platon halt er die Seele für sterßlich, ganz im Gegensatz zum Intellekt, der durch die Tätigkeit des Denkens und der Vernünft das Menschliche schlechthin reprasentiere.
Als "Vater der Zoologie" beschreibt Aristoteles 581 Tierarten, deren Untersüchung ihm viele in Honig konservierte Kadaver ermöglichen, die ihm Alexander der Große auf seinen Eroberungsreisen zukommen ließ.
So erkennt Aristoteles - neben zahlreichen Fehleinschatzungen (wie dem Phanomen der "Urzeugung") - z. b. als erster, daß es sich bei den Walen um Saugetiere handele und daß der Schwanzeltanz der bienen der Verstandigung diene.
Mechanik und Mathematik interessieren ihn jedoch weniger.
Wie Sokrates, so erliegt auch Aristoteles dem Rankespiel der Priesterschaft, die nach dem Tod seines Freundes und Gönners Alexander des Großen seine Hinrichtung oder Verbannung fordern.
Er stirbt wenige Monate nachdem er seine Verbannung nach Chalkis auf Euboä angetreten hatte.
Mit seinem Tod endet auch die Epoche der großen Denker auf griechischem boden.