. Universal Declaration of Human Responsibilities in German |
Allgemeine Erklärung der
Menschenpflichten
(Vorgeschlagen vom InterAction Council)
Präambel
Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt ist und Pflichten oder Verantwortlichkeiten (>>responsibilities<<) einschließt,
da das exklusive Bestehen auf Rechten Konflikt, Spaltung und endlosen Streit zur Folge hat und die Vernachlässigung der Menschenpflichten zu Gesetzlosigkeit und Chaos führen kann,
da die Herrschaft des Rechts und die Förderung der Menschenrechte abhängen von der Bereitschaft von Männern wie Frauen, gerecht zu handeln,
da globale Probleme globale Lösungen verlangen, was nur erreicht werden kann durch von allen Kulturen und Gesellschaften beachtete Ideen, Werte und Normen,
da alle Menschen nach bestem Wissen und Vermögen eine Verantwortung haben, sowohl vor Ort als auch global eine bessere Gesellschaftsordnung zu fördern - ein Ziel, das mit Gesetzen, Vorschriften und Konventionen allein nicht erreicht werden kann,
da menschliche Bestrebungen für Fortschritt und Verbesserung nur verwirklicht werden können durch übereinstimmende Werte und Maßstäbe, die jederzeit für alle Menschen und Institutionen gelten,
deshalb verkündet
die Generalversammlung der Vereinten Nationen
diese Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten. Sie soll ein gemeinsamer Maßstab sein für alle Völker und Nationen, mit dem Ziel, daß jedes Individuum und jede gesellschaftliche Einrichtung, dieser Erklärung stets eingedenk, zum Fortschritt der Gemeinschaften und zur Aufklärung all ihrer Mitglieder beitragen mögen. Wir, die Völker der Erde, erneuern und verstärken hiermit die schon durch Allgemeine Erklärung der Menschenrechte proklamierten Verpflichtungen: die volle Akzeptanz der Würde aller Menschen, ihrer unveräußerlichen Freiheit und Gleichheit und ihrer Solidarität untereinander. Bewußtsein und Akzeptanz dieser Pflichten sollen in der ganzen Welt gelehrt und gefördert werden.
Fundamentale Prinzipien für Humanität
Artikel 1
Jede Person, gleich welchen Geschlechts, welcher ethnischen Herkunft, welchen sozialen Status, welcher politischen Überzeugung, welcher Sprache, welchen Alters, welcher Nationalität oder Religion, hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln.
Artikel 2
Keine Person soll unmenschliches Verhalten, welcher Art auch immer, unterstützen, vielmehr haben alle Menschen die Pflicht, sich für die Würde und die Selbstachtung aller anderen Menschen einzusetzen.
Artikel 3
Keine Person, keine Gruppe oder Organisation, kein Staat, keine Armee oder Polizei steht jenseits von Gut und Böse; sie alle unterstehen moralischen Maßstäben. Jeder Mensch hat die Pflicht, unter allen Umständen Gutes zu fördern und Böses zu meiden.
Artikel 4
Alle Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen, müssen im Geist der Solidarität Verantwortung übernehmen gegenüber jedem und allen, Familien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und Religionen: Was du nicht willst, daß man dir tut, das füg' auch keinem anderen zu.
Gewaltlosigkeit und Achtung vor dem Leben
Artikel 5
Jede Person hat die Pflicht, Leben zu achten. Niemand hat das Recht, eine andere menschliche Person zu verletzen, zu foltern oder zu töten. Dies schließt das Recht auf gerechtfertigte Selbstverteidigung von Individuen und Gemeinschaften nicht aus.
Artikel 6
Streitigkeiten zwischen Staaten, Gruppen oder Individuen sollen ohne Gewalt ausgetragen werden. Keine Regierung darf Akte des Völkermords oder des Terrorismus tolerieren oder sich daran beteiligen, noch darf sie Frauen, Kinder oder irgendwelche andere zivile Personen als Mittel zur Kriegsführung mißbrauchen. Jeder Bürger und öffentliche Verantwortungsträger hat die Pflicht, auf friedliche, gewaltfreie Weise zu handeln.
Artikel 7
Jede Person ist unendlich kostbar und muß unbedingt geschützt werden. Schutz verlangen auch die Tiere und die natürliche Umwelt. Alle Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen.
Gerechtigkeit und Solidarität
Artikel 8
Jede Person hat die Pflicht, sich integer, ehrlich und fair zu verhalten. Keine Person oder Gruppe soll irgendeine andere Person oder Gruppe ihres Besitzes berauben oder ihn willkürlich wegnehmen.
Artikel 9
Alle Menschen, denen die notwendigen Mittel gegeben sind, haben die Pflicht, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Armut, Unterernährung, Unwissenheit und Ungleichheit zu überwinden. Sie sollen überall auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung fördern, um für alle Menschen Würde, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Artikel 10
Alle Menschen haben die Pflicht, ihre Fähigkeiten durch Fleiß und Anstrengung zu entwickeln; sie sollen gleichen Zugang zu Ausbildung und sinnvoller Arbeit haben. Jeder soll den Bedürftigen, Benachteiligten, Behinderten und den Opfern von Diskriminierung Unterstützung zukommen lassen.
Artikel 11
Alles Eigentum und aller Reichtum müssen in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit und zum Fortschritt der Menschheit verantwortungsvoll verwendet werden. Wirtschaftliche und politische Macht darf nicht als Mittel zur Herrschaft eingesetzt werden, sondern im Dienst wirtschaftlicher Gerechtigkeit und sozialer Ordnung.
Wahrhaftigkeit und Toleranz
Artikel 12
Jeder Mensch hat die Pflicht, wahrhaftig zu reden und zu handeln. Niemand, wie hoch oder mächtig auch immer, darf lügen. Das Recht auf Privatsphäre und auf persönliche oder berufliche Vertraulichkeit muß respektiert werden. Niemand ist verpflichtet, die volle Wahrheit jedem zu jeder Zeit zu sagen.
Artikel 13
Keine Politiker, Beamte, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler, Schriftsteller oder Künstler sind von allgemeinen ethischen Maßstäben entbunden, noch sind es Ärzte, Juristen und andere Berufe, die Klienten gegenüber besondere Pflichten haben. Berufsspezifische oder andersartige Ethikkodizes sollen den Vorrang allgemeiner Maßstäbe wie etwa Wahrhaftigkeit und Fairness widerspiegeln.
Artikel 14
Die Freiheit der Medien, die Öffentlichkeit zu informieren und gesellschaftliche Einrichtungen wie Regierungsmaßnahmen zu kritisieren - was für eine gerechte Gesellschaft wesentlich ist -, muß mit Verantwortung und Umsicht gebraucht werden. Die Freiheit der Medien bringt eine besondere Verantwortung für genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung mit sich. Sensationsberichte, welche die menschliche Person oder die Würde erniedrigen, müssen stets vermieden werden.
Artikel 15
Während Religionsfreiheit garantiert sein muß, haben die Repräsentanten der Religionen eine besondere Pflicht, Äußerungen von Vorurteilen und diskriminierende Handlungen gegenüber Andersgläubigen zu vermeiden. Sie sollen Haß, Fanatismus oder Glaubenskriege weder anstiften noch legitimieren, vielmehr sollen sie Toleranz und gegenseitige Achtung unter allen Menschen fördern.
Gegenseitige Achtung und Partnerschaft
Artikel 16
Alle Männer und alle Frauen haben die Pflicht, einander Achtung und Verständnis in ihrer Partnerschaft zu zeigen. Niemand soll eine andere Person sexueller Ausbeutung oder Abhängigkeit unterwerfen. Vielmehr sollen Geschlechtspartner die Verantwortung für die Sorge um das Wohlergehen des anderen wahrnehmen.
Artikel 17
Die Ehe erfordert - bei allen kulturellen und religiösen Verschiedenheiten - Liebe, Treue und Vergebung, und sie soll zum Ziel haben, Sicherheit und gegenseitige Unterstützung zu garantieren.
Artikel 18
Vernünftige Familienplanung ist die Verantwortung eines jeden Paares. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern soll gegenseitige Liebe, Achtung, Wertschätzung und Sorge widerspiegeln. Weder Eltern noch andere Erwachsene sollen Kinder ausbeuten, mißbrauchen oder mißhandeln.
Schluß
Artikel 19
Keine Bestimmung dieser Erklärung darf so ausgelegt werden, daß sich daraus für den Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 angeführten Pflichten, Rechte und Freiheiten abzielen.
Unterzeichner
Die vorgeschlagene >>Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten<< wird von folgenden Personen bekräftigt:
I. Die Mitglieder des InterAction Council
Helmut Schmidt (Ehrenvorsitzender),
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland a.D.
Malcolm Fraser (Vorsitzender),
Premierminister von Australien a.D.
Andries A. M. van Agt,
Premierminister der Niederlande a.D.
Anand Panyarachun,
Premierminister von Thailand a.D.
Oscar Arias Sanchez,
Präsident von Costa Rica a.D.
Lord Callaghan of Cardiff,
Premierminister von Großbritannien a.D.
Jimmy Carter,
Präsident der Vereinigten Staaten a.D.
Miguel de la Madrid Hurtado,
Präsident von Mexiko a.D.
Kurt Furgler,
Bundespräsident der Schweiz a.D.
Valery Giscard d'Estaing,
Staatspräsident von Frankreich a.D.
Felipe Gonzalez Marquez,
Premierminister von Spanien a.D.
Michail S.Gorbatschow
Vorsitzender a.D. des Obersten Sowjets und
Präsident a.D.der Union der Socialistischen Sowjetrepubliken
Selim Hoss
Premierminister von Libanon a.D.
Kenneth Kaunda,
Präsident von Zambia a.D.
Lee Kuan Yew,
Premierminister von Singapore a.D.
Kiichi Miyazawa,
Premierminister von Japan a.D.
Misael Pastrana Borrero,
Präsident von Kolumbien (im August verstorben)
Shimon Peres,
Premierminister von Israel a.D.
Maria de Lourdes Pintasilgo,
Premierministerin von Portugal a.D.
Jose Sarney,
Präsident von Brasilien a.D.
Shin Hyon Hwak,
Premierminister von Korea a.D.
Kalevi Sorsa,
Premierminister von Finnland a.D.
Pierre Elliott Trudeau,
Premierminister von Kanada a.D.
Ola Ullsten,
Premierminister von Schweden a.D.
George Vassiliou,
Präsident von Zypern a.D.
Franz Vranitzky,
Bundeskanzler von Österreich a.D.
II. Befürworter
Ali Alatas, Minister für Auswärtige
Angelegenheiten, Indonesien
Abdul Aziz Z. Al-Quraishi, Vorsitzender a.D. von SAMA
Lester Brown, Präsident des Worldwatch Instituts
Andre Chouraqui, Professor in Israel
John B. Cobb Jr., Claremont School of Theology
Takako Doi, Präsident der Sozialistisch-Demokratischen Partei in Japan
Kan Kato, Rektor Chiba University of Commerce
Henry A. Kissinger, Aussenminister a.D., U.S.A.
Teddy Kollek, Altbürgermeister, Jerusalem
William Laughlin, Amerikanischer Unternehmer
Chwasan Lee Kwang Jung, Dharma Grossmeister, Won Buddhismus
Rabbi Dr. J. Magonet, Rektor des Leo Baek College
Federico Mayor, Generaldirektor, UNESCO
Robert S. McNamara, Präsident der Weltbank a.D.
Robert Muller, Rektor, Friedensuniversität
Konrad Raiser, Weltkirchenrat
Jonathan Sacks, Oberrabbiner, U.K.
Seijuro Shiokawa, Minister a.D. für Innere Angelegenheiten, Bildung und
Transportwesen, Japan
Rene Samuel Sirat, Grossrabbiner, Frankreich
Sir Sigmund Sternberg, Internation. Rat der Christen und Juden
Masayoshi Takemura, Finanzminister a.D., Japan
Gaston Thorn, Premierminister a.D., Luxemburg
Paul Volcker, Vorsitzender, James D. Wolfensohn Inc.
Carl Friedrich von Weizsäcker, Wissenschaftler
Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D., Deutschland
Mahmoud Zakzouk, Religionsminister, Ägypten
III. Hochrangige Experten (Vorbereitende Treffen in Wien, Österreich im März 1996 und im April 1997 und Ehrengäste bei der 15. Plenarsitzung in Noordwijk, den Niederlanden im Juni 1997.)
Hans Küng, Universität Tübingen. Akademischer
Berater dieses Projekts
Thomas Axworthy, CRB Foundation, Montreal, Canada. Akademischer Berater dieses
Projekts.
Kim, Kyong-dong, Seoul National University. Akademischer Berater dieses Projekts.
Kardinal Dr. Franz König, Wien, Österreich
Anna-Marie Aagaard, Weltrat der Kirchen, Genf
A. A. Mughram Al-Ghamdi, König Fahad Akademie
M. Shanti Aram, (im Juni verstorben) Präsident der Weltkonferenz für Religion und
Frieden, Mitglied des Indischen
Parlamentes
A. T. Ariyaratne, Präsident der Sarvodaya Movement von Sri Lanka
Julia Ching, Universität Toronto
Hassan Hanafi, Universität Kairo
Nagaharu Hayabusa, Asahi Shimbun, Tokio
Yersu Kim, Direktor der Abteilung für Philosophie und Ethik der UNESCO, Paris
Peter Landesmann, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften, Salzburg
Lee, Seung-Yun, Vize-Premierminister und Minister der Wirtschaftsplanung a.D.,
Seoul, Korea
Flora Lewis, Journalistin der International Herald Tribune, Paris
Liu, Xiao-feng, Institut der Shino-Christian Studies, Hongkong
Teri McLuhan, kanadische Schriftstellerin
Isamu Miyazaki, vormaliger Staatsminister, Agentur für Wirtschaftsplanung, Tokio,
Japan
J. J. N. Rost Onnes, Exekutiv-Vizepräsident ABN AMRO Bank, Niederlande
James Ottley, Beobachter der Anglikanischen Kirche bei den Vereinten Nationen, New
York
Richard Rorty, Stanford Humanities Center
L. M. Singvi, Hochkommissar von Indien, London
Marjorie Hewitt Suchocki, Claremont School of Theology
Seiken Sugiura, House of Representatives, Tokio, Japan
Koji Watanabe, vormaliger japanischer Botschafter in Moskau
Woo, Seong-Yong, Munhwa Ilbo, Seoul
Wu Xuequian, Stellvertretender Vorsitzender, Chinese People's Political
Consultative Conference
Alexander Yakovlev, vormaliger Abgeordneter, Präsidentschaftsrat der Sowjetunion,
Moskau
Entwurf einer
Allgemeinen Erklärung der
Menschenpflichten
Vorbemerkungen
Es ist an der Zeit, von Menschenpflichten zu sprechen
Der Aufruf des InterAction Councils für eine Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten kommt zur rechten Zeit. Obwohl wir herkömmlicherweise von den Menschen-Rechten gesprochen haben - und in der Tat legte die Welt eine weiten Weg zuruck in ihrer internationalen Anerkennung und ihrem Schutz seit der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen 1948 - so ist es jetzt an der Zeit, eine ebenso wichtige Suche für das Anerkennen menschlicher Pflichten oder Verpflichtungen zu initiieren.
Diese neue Betonung der menschlichen
Pflichten ist aus mehreren Gründen notwendig. Sicher, diese Idee ist nur für einige
Regionen der Welt neu; viele Gesellschaften haben herkömmlicherweise menschliche
Beziehungen mehr unter dem Aspekt von Pflichten als von Rechten verstanden. Dies gilt,
allgemein gesprochen, zum Beispiel für weite Teile östlichen Denkens. Während im Westen
herkömmlicherweise, wenigstens seit dem 17, Jahrhundert der Aufklarungszeit, die Begriffe
von Freiheit und Individualität betont wurden, haben im Osten die Begriffe von
Verpflichtung und Gemeinschaft vorgeherrscht. Die Tatsache, das eine Allgemeine Erklärung
der Menschen-Rechte statt einer Allgemeinen Erklärung der Menschen-Plifchten verfast
wurde, spiegelt zweifellos den philosophischen und kulturellen Hintergrund der Verfasser
des Dokumentes wieder, welche bekanntlich die westlichen Siegermächte des Zweiten
Weltkriedes repräsentierten.
Der Begriff der Menschenpflichten dient auch zum Ausbalancieren der Begriffe Freiheit und Verantwortung: Während Rechte mehr auf Freiheit bezogen sind, sind Pflichten mit Verantwortung verbunden. Trotz dieser untersheidung sind Freiheit und verantwortung gegenseitig von einander abhängig. Verantwortung, als eine ethische Qualität, dient als ein natürlicher, freiwilliger Test für Freiheit. In jeder Gesellschaft kann Freiheit nie ohne Grenzen ausgeübt werden. Deshalb: Je größerer Freiheit wir uns erfreuen, desto mehr Verantwortung haben wir zu tragen, anderen wie uns selber gegenüber. Je mehr Talente wir besitzen, desto größer ist die Verantwortung, die wir haben, sie voll und ganz zu entwickeln. Wir müssen uns wegbewegen von der Freiheit der Indifferenz hin zur Freiheit des Engagements.
Genauso trifft das Umgekehrte zu: Wenn wir unser Verantwortungsgefuhl entwickeln, so vergrößern wir unsere innere Freiheit durch Stärkung unseres moralischen Charakters. Wenn Freiheit uns verschiedene Möglichkeiten des Handelns eröffnet - eingeschlossen die Wahl, das Rechte oder Unrechte zu tun -, wird ein verantwortungsvoller moralischer Charakter dafur sorgen, daß ersteres sich durchsetzt.
Leider wird dieses Verhältnis von Freiheit und Verantwortung nicht immer richtig verstanden. Einige Ideologien haben mehr Gewicht auf den Begriff der individuellen Freiheit gelegt, während andere sich auf die bedingungslose Verpflichtung gegenüber der gesellschaftlichen Gruppe konzentrierten.
Ohne die richtige Balance ist unbegrenzte Freiheit ebenso gefährlich wie aufgezwungene soziale Verantwortung. Grose soziale Ungerechtigkeiten sind das Ergebnis extremer wirtschaftlicher Freiheit und kapitalistischer Habgier, während zur gleichen Zeit die grausame Unterdrückung der menschlichen Grundfreiheiten gerechtfertigt wurde im Namen der Interessen der Gesellschaft oder kommunistischer Ideale.
Beide Extreme sind unerwünscht. Zur Zeit scheint die Menschheit mit Verschwinden des Ost-West-Konflikts und dem Ende des Kalten Kriegs dem erwünschten Ausgleich zwischen Freheit und Verantwortung näher. Wir haben für Freiheit und Rechte gekämpft. Nun ist es an der Zeit, Verantwortung und Menschenpflichten zu fördern.
Der InterAction Council glaubt, daß die Globalisierung der Weltwirtschaft einheregeht mit der Globalisierung der Weltprobleme. Weil eine gegenseitige globale Abhängigkeit verlangt, daß wir miteinander in Harmonie leben, brauchen die Menschen Regeln und Beschränkungen. Ethik bietet die Mindeststandards, um ein kollektives Zusammenleben möglich zu machen. Ohne Ethik und den aus ihr sich ergebenden Selbstbeschränkungen würde die Menschheit zum Überleben des Stärkeren zurückkehren. Die Welt bedarf einer ethischen Grundlage, auf der sie stehen kann.
In der Wahrnehmung dieser Notwendigkeit, begann der InterAction Council seine Suche nach universalen ethischen Maßstäben mit einem Treffen von geistigen und politischen Führungspersönlichkeiten im März 1987 in La Civiltà Cattolica in Rom/Italien. 1996 ersuchte der Council erneut um einen Bericht einer hochrangigen Expertengruppe zum Thema gloabler ethischer Standards. Bei seiner Vollversammlung in Vancouver im Mai 1996 begrüßte der InterAction Council den Bericht dieser Gruppe, die sich zusammensetzte aus religiösen Führern verschiedenen Glaubens und Experten aus der ganzen Welt. Die Ergebnisse dieses Berichts < Auf der Suche nach globalen ethischen Maßstäben > bewies, daß die Weltreligionen viel an Gemeinsamkeit besitzen, und der Council macht sich die Empfehlung zu eigen, daß < 1998 zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Vereinten Nationen eine Konferenz einberufen sollten zur Beratung einer Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten, um die vorausgegangene hochwichtige Arbeit über die Rechte zu ergänzen.>
Die Initiative, eine Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten auszuarbeiten, ist nicht nur ein Weg zum Ausgleich von Freiheit und Verantwortung, sondern auch ein Mittel, um solche Ideologien und politische Ansichten zu versöhnen, die in der Vergangenheit als antagonistisch galten. Die Grundprämisse soll dann sein, daß die Menschen größtmögliche Freiheit verdienen, aber auch ihr Verantwortungsgefühl voll und ganz entwickeln sollen, um ihre Freiheit richtig zu gebrauchen.
Dies ist kaum eine neue Idee. Durch due Jahrtausende haben Propheten, Heilige und Weise die Menschheit gedrängt, ihre Pflichten ernst zu nehmen. In unserem Jahrhundert predigte zum Beispiel Mahatma Gandhi gegen die sieben gesellschaftlichen Sünden:
Die Globalisierung hat jedoch den Lehren Gandhis und anderer ethischer Führer neue Dringlichkeit verschafft. Gewalt im Fernsehen wird jetzt mit Satelliten über den ganzen Planeten verbreitet. Die Spekulation auf fernen Finanzmärkten kann sich auf Gemeinden vor Ort verheerend auswirken. Der Einfluß privater Finanzmagnaten nähert sich heutzutage der Macht von Regierungen, und im Gegensatz zu gewählten Politikern gibt es fur diese private Macht keine Verantwortlichkeit mit Ausnahme des persönlichen Verantwortungsgefühles. Nie zuvor brauchte die Welt eine Erklärung der Menschenpflichten mehr.
Von den Rechten zu den Pflichten
Weil Rechte und Pflichten unlösbar miteinander verbunden sind, ist die Idee eines Menschenrechtes sinnvoll nur dann, wenn wir die Pflicht aller Menschen zu seiner Respektierung anerkennen. Abgesehen von den Werten einer bestimmten Gesellschaft gründen sich die menschlichen Beziehungen allgemein auf dem Vorhandensein sowohl von Rechten als auch von Pflichten.
Es bedarf keines komplexen ethischen Systems, um menschliches Handeln zu leiten. Es gibt eine althergebrachte Regel, die, falls wirklich befolgt, gerechte menschliche Beziehungen gewährleisten würde: die Goldene Regel. In ihrer negativen Form verlangt die Goldene Regel: Was du nicht willst, das man dir tut, das fug' auch keinem anderen zu. Ihre positive Form zielt auf eine mehr aktive und solidarische Rolle: Was du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen.
Eingedenk der Goldenen Regel bietet die Allgemeine Erklärung der Menshenrechte einen idealen Ausgangspunkt, um einige der hauptsächlichen Pflichten zu überlegen, die eine notwendige Vervollständigung dieser Rechte sind:
Als Menschen haben wir grenzenlose Moglichkeiten zur Selbsterfullung. Deswegen haben wir die Pflicht, unsere physischen, emotionalen, intellektuellen und geistigen Fahigkeiten so weit wie möglich zu entwickeln. Die Bedeutung des Begriffs Verantwortung zum Erreichen der Selbstverwirklichung kann nicht übersehen werden.
Deshalb hat der InterAction Council die 1987 in La Civiltà Cattolica begonnene und 1996 in Vancouver wieder aufgenommene Arbeit fortgesetzt, mit der Einberufung einer weiteren hochrangigen Gruppe religiöser, philosophischer und politischer Experten im April 1997 nach Wien, um eine Erklärung der Menschenpflichten auszuarbeiten, was eine der Empfehlungen des Berichts < Auf der Suche nach globalen ethischen Maßstäben > war.
Viele der Experten haben zu beiden Studien beigetragen. Die Arbeitsgruppe von Wien hat Helmut Schmidt, dem Vorsitzenden des Treffens, Andries van Agt, dem Vorsitzenden des InterAction Councils, und Miguel de la Madrid Empfehlungen unterbreitet. Oscar Arias, Mitglied des Councils, steuerte ein willkommenes wesentliches Exposé bei.
Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden zusammengefaßt und verdichtet von den drei akademischen Beratern: Prof. Thomas Axworthy, Prof. Kim Kyong-dong, und Prof. Hans Küng. Prof. Küng besorgte eine sehr hilfreiche erste Fassung als Ausgangspunkt fur die Diskussion.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind enthalten in der beigefügten Fassung fur die Vereinten Nationen und betitelt mit < Eine Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten >
Hochrangige Experten
Kardinal Dr. Franz König, Wien,
Dr. Peter Landesmann, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften, Salzberg,
Prof. Hassan Hanafi, Universität Kairo,
Dr. A.T. Ariyaratne, Präsident der Sarvodaya Movement of Sri Lanka,
Rt. Rev. James H. Ottley, Beobachter der Anglikanischen Kirche bei den Vereinten Nationen,
Dr. M. Aram, Prasident der Weltkonferenz fur Religion und Frieden, Mitglied des indischen Parlamentes,
Prof. Julia Ching, Universität Toronto,
Dr. Anna-Marie Aagard, Weltrat der Kirchen, Genf,
Dr. Teri McLuhan, Schriftsteller,
Prof. Yersu Kim, Direktor der Abteilung für Philosophie und Ethik der UNESCO, Paris,
Prof. Richard Rorty, Stanford Humanities Centre,
Botschafter Koji Watanabe (vormaliger japanischer Botschafter in Moskau)
Journalisten
Flora Lewis, Internationale Herald Tribune,
Woo Seung-yong, Munhaw Ilbo
Akademische Berater
Prof. Hans Kung, Universität Tübingen,
Prof. Thomas Axworthy, Faculty in Public Policy der Harvard Universität, Boston
Prof. Kim Kyong-dong, Seoul National University
Die Überlegungen der Gruppe wurden zusammengefaßt und komprimiert von den drei akademischen Beratern; Prof. Küng lieferte einen sehr hilfreichen ersten Entwurf als Ausgangspunkt der Diskussion.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind enthalten in dem beiliegenden Entwurf fur die Vereinigten Nationen mit dem Titel < Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten >.
Die Gruppe legt mit Freude den beiliegenden Entwurf dem InterAction Council und der Weltgemeinschaft als ganzer vor.
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