Das "philosophische Café"
Sackgassen
sind nicht nur
nach oben hin
offen
Man sollte
einfach
den Weg zurückgehen
und dann
bewußt
die andere Abzweigung wählen
Anonym
Das "philosophische Cafe"
Der französiche Philosoph Marc Sautet, der im Jahr 1990 in Paris, am Place de la Bastille das erste "philosophische Café" ins Leben gerufen hat, meint, daß die Krisensituation, in der wir uns heute befinden derjenigen Athens vor 2.500 Jahren ähnelt; eine Krise der Demokratie, eine Sackgasse großen Ausmaßes, die sich in der Philosophie, somit im Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung und im Drang nach geistiger Auseinandersetzung einen Ausweg gesucht und gefunden hat.
Die Freimaurerei ist seit dem Zeitalter der Aufklärung bemüht, durch Überwindung ideologischer, religiöser und sozialer Schranken dem Menschen zu ermöglichen, sich selbst oder durch die Mithilfe anderer zu veredeln, sich eine eigene Lebens-Philosophie zu erarbeiten.
Jeder Freimaurer prüft sich, welcher Wesenszug in ihm stärker ist; ein theoretischer Weltverbesserer, möglicherweise ein Schwätzer sein zu wollen, oder seine eigene Philosophie auch unter widrigen Umständen aufrechtzuerhalten, in die Lage zu geraten, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Im symbolischen Sinne des Wortes kommt hier der handwerkliche Beruf des "Maurers" ins Spiel: Der Frei-Maurer arbeitet an der Verbesserung der Lebensumstände und somit an sich selbst, am sogenannten "Rauhen Stein."
In die Rolle eines guten, eines "besseren Menschen" zu schlüpfen, in dem man eine aktuelle, gesellschaftlich akzeptierte Meinung kopiert, ist eine Möglichkeit - nur keine freimaurerische. Nein, die Freimaurerei strebt danach, den Menschen mündig zu machen, ihm die Möglichkeit zu geben, seine Vorurteile zu überwinden, in dem er mit Menschen zusammentrifft, die er unter anderen Umständen nicht getroffen hätte.
In Frankreich bezeichnet man Freimaurerlogen seit dem Zeitalter der Aufklärung generell als "cercles philosophiques", als philosophische Zusammenkünfte. Was liegt näher, als in genau diesem Rahmen Philosophie zu betreiben.
Im Grunde genommen sprechen wir hier von einem Experiment, wie Themen der Wirtschaft, Politik, Religion, Geschichte besprochen werden können.
Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft, Geschlechts, Nationalität, Rasse und Religion versammeln sich aufgrund einer Ankündigung in der örtlichen Tageszeitung abseits der Alltagshektik zu einem Diskussionsabend und unterwerfen sich drei folgenden fundamentalen Regeln:
Die Regeln verhindern, daß die Diskussion zu einem reinen Austausch von Fremdwörtern oder von politischen Schlagwörtern verkommen kann, bei dem irgendein Teilnehmer als "moralischer Sieger", ein anderer Teilnehmer als "moralischer Verlierer" endet. Es soll keine "Betroffenheit" oder Schuldzuweisung provoziert, sondern ein gemeinsamer Nenner der Ideen gefunden, eine Gedankenbrücke zwischen verschiedenen Meinungen erzielt, ein Brainstorming zu Ursachen und Wirkungen durchgeführt werden.
Diese Themen wurden unter anderem bisher diskutiert:
Wir möchten an die Ursprünge unserer Zweifel und Fragen, unserer Mühen, unserer Ängste gelangen, nun gut, dann müssen wir den Verlauf unserer (Ideen-) Geschichte begreifen. Dies gelingt nicht mit einfachen, absoluten Antworten.
Ziel des "philosophischen Cafés" ist es, eine Reflexion in Gang zu setzen. In Gang setzen heißt nicht, zwanghaft Ergebnisse oder Erklärungen zu suchen. In Gang setzen bedeutet, nach Beendigung des "philosophischen Cafés", zu hause, mit Büchern, mit sich selbst oder mit Menschen außerhalb der Diskussionsrunde Zwiesprache zu halten. Dies kann auch zur Folge haben, daß die neuen Erkenntnisse im Rahmen eines weiteren "philosophischen Cafés" in Frage gestellt werden.
In Gang setzen meint auch, Irrtümer begehen, sich in Sackgassen zu verlaufen und dort wieder herauszufinden.
Es bedeutet, nachzudenken und die neugewonnenen Überlegungen möglicherweise in alltägliche Handlungsmöglichkeiten umzusetzen.
Das Motto unseres "philosophischen Cafés" kann somit nur das Wortspiel des Sokrates sein:
"Ich weiß, daß ich nichts weiß".
Wir verfügen nicht über höheres Wissen, aber wir hinterfragen jene, die mehr wissen oder zumindest mehr zu wissen vorgeben. Wir wollen wissen, aber nicht hinters Licht geführt oder verführt werden. Dies gilt es zu lernen und dies erfordert Ruhe, Aufmerksamkeit, und - dem anderen zuzuhören!
Es erfordert allerdings auch die Auseinandersetzung mit Blendern und die Konfrontation der gewonnenen Gedanken mit der Wirklichkeit. Auf das Übel, das unsere Gesellschaft angreift, hatten wir bislang keine Antwort. Aus diesem Grund taten sich Menschen zusammen, die sich vorher nicht kannten. Wir wurden Freunde und beschritten freiwillig diesen neuen Weg.
Sag, wozu nutzt dieses Leben?
(...)
Damit Du hier bist.
Damit das Spiel der Mächte
weitergeht
und Du Deinen Vers
dazu beitragen
kannst.
Walt Whitman